Es ist nicht die Angst

Hohe See

Komm näher, ganz nah an mein Gesicht und lass mich das Gefühl erklären. Ich möchte die Stimme nicht heben, ich möchte ganz nah und leise sein. Ein Flüstern, ein Hauchen, als ob sich die Worte – kaum ausgesprochen – in Luft auflösten. Als hätten sie gar nie existiert, als wären sie mehr nicht-da als da. Komm näher und lass mich das Gefühl erklären…

Es ist ein Floss, oder aber eher ein Stück Holz, das auf dem hohen Meer treibt. Kaum grösser als dass ein Mensch darauf Platz findet. Morsch und modrig. Am Horizont die Sonne, die halb verdeckt von dunklen Wolken, die einen Sturm ankündigen, langsam untergeht.

Meine Arme umschlingen meine Knie, ich spüre den Wellengang und bei jeder Bewegung schwappt kaltes Wasser über den Rand des Holzes.

Du hast mit mir gesprochen, als ich das Floss bestieg, hast mich kurz noch festgehalten, indem du dich von deinem Boot zu mir herunterbeugtest. Dann hast du losgelassen und langsam treibe ich fort. Bald werde ich deine Stimme nicht mehr hören, ich treibe fort, immer weiter fort, du lachst und winkst und jetzt bin ich allein.

Es ist nicht die Angst vor der Dunkelheit oder vor dem Sturm, auch nicht die Angst vor Seeungeheuern, die mich umtreibt.

Es ist nicht die Angst.

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