Dieses Wochenende war ich im Winterweekend mit der Firma. Wie letztes Jahr ging es auch dieses Jahr wieder in die Lenzerheide. Es war ein – wie soll ich sagen – intensives Wochenende. Im Moment arbeiten wir alle gerade sehr viel und das hat sich bemerkbar gemacht. Im Sinne von: Hart arbeiten, hart feiern. Gestern Abend waren wir schlussendlich dann noch zu viert unterwegs und uns verschlug es an eine sehr seltsame Ü27-Party im Kurhaus. Dort hab ich Chris kennengelernt, der sich einen Kampf um mich mit seinem Arbeitskollegen geliefert hat. Bei all dem Feiern, all dem Reden und Kennenlernen frage ich mich immer wieder, ob die Flüchtigkeit dieser Begegnungen wirklich eine reale Grundlage hat oder ob ich diese Flüchtigkeit nicht aus mir selbst generiere. Oft kommt es vor, dass ich nach einer Begegnung denke: Das war’s dann, mehr ist es nicht, so soll es offenbar sein, der andere ist nicht weiter an mir interessiert. Dementsprechend handle ich. Ich kann das gut. Das Gehen, das Weiterziehen. Oft erfahre ich dann im Nachhinein, dass der andere sehr erstaunt über meine Reaktion war, durchaus an einem „und-so-weiter“ interessiert gewesen wäre, mein Verhalten aber eindeutig war. Wahrscheinlich gefalle ich mir einfach in diesem „ich-bin-dann-mal-weg“. Weil ich es gut kann, tue ich es auch. Das Bleiben kann ich einfach weniger gut. Ich würde unsicher werden, würde mir seltsam vorkommen. Hätte das Gefühl, dass ich zu viel wäre, zu aufdringlich. So tue ich halt, was ich immer tue, ich gehe.
Ziemlich blöd ist es, wenn ich aus Unsicherheit dann so Übersprungs-Sachen mache. Wenn ich zu einer anderen Person weiterziehe. Das ist für die erste Person natürlich verletzend. Faszinierend ist ja, dass ich dieses „zu einer anderen Person weiterziehen“ nicht mache, um Eifersucht zu generieren (obwohl es natürlich sehr wirkungsvoll ist). Nein, ich mach das aus Unsicherheit. Aus einem „na, dann…“-Gefühl raus.
Dieses Problem hatte ich schon immer. Ich erinnere mich an die Situation, ich war etwa 17 Jahre alt, in der ich eine Nacht mit dem Schulhaus-Schönling verbrachte. Wir küssten uns die ganze Nacht, es war sehr besonders. Am nächsten Tag habe ich ihn eiskalt abserviert. Ich habe so getan, als wär das alles nie passiert. Man muss wissen, dass der Schulhaus-Schönling sehr begehrt war. Da er aber keine Freundin hatte und keine Anstalten machte auf das Werben der diversen Mädchen einzugehen, hielt man ihn für schwul. Nach dieser Nacht wusste ich es natürlich besser. Und ich lächelte dann immer still in mich hinein, wenn die Klassenkameradinnen wild spekulierten. Typisch für mich ist auch, dass ich nie jemandem in seinem Umfeld davon erzählte. Dabei wäre ich der Star der Schule geworden, hätte ich es nach aussen getragen.
Es liegt also viel Zerstörungskraft in meiner Unsicherheit. Am meisten zerstöre ich ja meine eigenen Möglichkeiten.
Letzthin hat mir mal jemand gesagt: „Ich habe Dir sogar ein Weihnachtsgeschenk gekauft!“ Und was hab ich getan? Mit den Schultern gezuckt…
Überlass es der Zeit
(von Theodor Fontane)
Erscheint dir etwas unerhört,
Bist du tiefsten Herzens empört,
Bäume nicht auf, versuchs nicht mit Streit,
Berühr es nicht, überlass es der Zeit.
Am ersten Tage wirst du feige dich schelten,
Am zweiten lässt du dein Schweigen schon gelten,
Am dritten hast du’s überwunden;
Alles ist wichtig nur auf Stunden,
Ärger ist Zehrer und Lebensvergifter,
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.
Hallo Hasenherz, da bin ich wieder. Ich habe lange gezögert aber dann dachte ich mir: Was solls. Zur Not kannst du den Kommentar ja auch wieder entfernen 😉
Sagen wollte ich dir eigentlich nur, dass dein „Verhaltensmuster“ mir sehr bekannt vorkommt. In gewisser Weise lege ich ein ähnliches Verhalten an den Tag, wenn es um Herzensangelegenheiten geht (naja, Herzensangelegenheiten ist wohl das falsche Wort. Eigentlich geht es ja eher um die Angelegenheiten, die vor den Herzensangelegenheiten kommen und die sich theoretisch in Herzensangelegenheiten verwandeln könnten, wenn man es nur zuließe). Bei mir ist das zwar eher so’ne „Komplexbeladenheitsgeschichte“ aber trotz allem gibt es Hoffnung für uns „Weiterzieher“. Manchmal lässt sich jemand nämlich durch ein „Schulterzucken“ (ich hab tatsächlich erst „Zulterschucken“ getippt – Schreiben ist einfach nicht so meins, tut mir leid) nicht beeindrucken und noch viel weniger abwimmeln. Bei mir ist daraus eine fünfjährige Beziehung geworden und auch wenn sie mittlerweile vorüber ist bin ich sehr froh, dass er sich damals nicht von meiner ach-so-gleichgültigen-war-ja-nur-Spaß-und-hat-gar-nichts-weiter-zu-bedeuten-
Attitüde hat einschüchtern lassen.
Sencillez!
Ich danke Dir für Deinen Kommentar. Und bin froh, dass Du ihn abgeschickt hast. Ja, manchmal ist man angewiesen auf die anderen oder aufs Glück, dass man für einmal nicht so sehr beeindruckend ist in seinem Schulterzucken. (Zulterschucken! Was für ein schönes Wort!) Manchmal frage ich mich jedoch, ob es nicht gut ist, wie es ist und bin ab und an ganz froh, dass ich so gut bin im Weiterziehen. Alles hat zwei Seiten. 🙂
Fotografierst Du eigentlich beruflich?
Herzlich, Hasenherz
Hallo Hasenherz! Ich habe deinen Blog vor ein paar Tage gefunden als ich im Internet gesucht habe ob es einen Buch gibt mit dem Namen „Hasenherz“ (gibt es wirklich!) weil ich eine Buchidee hatte mit diesen Titel.
Also, dein Blog finde ich wirklich interessant zu lesen! Es macht spaß ein wenig in die Welt anderer Menschen zu tauchen.
Zu deinen Post: Mir geht es genauso! Allerdings eher aus dem Grund weil ich denke dass ich nicht interessant genug bin für die anderen und es ihnen sowieso egal ist, ob ich nun mit ihnen weiterrede oder nicht.
Es ist auch sehr schwierig für mich anderen gegenüber zu öffnen. Naja. Ich weiß nicht wieso ich überhaupt so geworden bin.
LG,
Claudia
Liebe Claudia
Danke für Deine Nachricht! Ja, ich kenne das Buch „Hasenherz“ (von Updike, oder?). Was schreibst Du denn für ein Buch?
Ja, manchmal ist man sehr gefangen in seinen Unsicherheiten und in seinem Bild von der Welt. Es gibt so einen Song von „Lunik“ – einer Schweizer Band. Der Refrain geht so:
„if I could see me through your eyes
if I could touch me with your hands
If I could smell me with your nose
what would I be like?“
Interessante Frage, nicht wahr? 🙂
Herzlich, Hasenherz
Hallo Hasenherz!
Ja, das Buch ist wirklich von Updike. Meine Geschichte ist zwar noch nicht so richtig geplant, aber es geht um einen König. Ich weiß, der würde irgendwie sowieso nicht passen.
Ich finde es doof wenn jemand sagt dass es ihm egal ist, was die anderen denken. Mir ist es eigentlich wichtig, denn ich habe überhaupt keine Ahnung wer ich bin, und deswegen interessiert es mich sehr zu wissen wie andere mich sehen. Immerhin sind sie ja diejenige die mich leben sehen und so.
Kennst du ein Buch von Pirandello, „Einer, keiner und hunderttausend“? Da redet der Schriftsteller auch über solchen fragen. Seine Theorie ist wirklich interessant.
LG,
Claudia