„Es ist etwas Herrliches, wenn in das Händeklatschen einer Menge jenes Elementare kommt, das ich das Mark des Beifalls nennen möchte.“ (Christian Morgenstern)
Die Ballettaufführungen im Zürcher Opernhaus haben einen speziellen Charakter. Und ich spreche jetzt nicht nur von den Stücken selbst, die meistens wirklich grosse Klasse sind. Nein, ich spreche von der Stimmung des Publikums. Ich mag besonders den Schlussapplaus. Der ist immer, immer, immer tragend, lang und irgendwie ehrlich. Eigentlich müsste man nur schon deswegen eine Vorstellung ansehen gehen, um dieses aus dem Dunkel aufsteigende Tosen, dieses Entzücken, diese pure Vitalität zu spüren. Meistens weine ich ab der Schönheit schon während der Vorstellung, am Schluss weine ich mit Sicherheit. Die alte Dame, welche jetzt schon seit geraumer Zeit den Platz neben mir einnimmt, schaut mich dann immer wissend und irgendwie mütterlich besorgt von der Seite an.
Gestern sass ich nach der Arbeit auf dem Sechseläutenplatz, wo die Sonne abends sehr lange scheint und wo die Menschen auf den Stühlen, auf dem Boden, auf der Treppe sitzen. Wir tranken ein Büchsenbier, rauchten Zigaretten und gepaart mit der Sonne hatte dieser Augenblick etwas anrührendes, etwas versöhnliches, liebreizendes, graziles, anmutiges. Wäre man es nicht längst, man hätte sich in diesem Moment in das Leben verlieben können.
Danach hatte ich exakt 45 Minuten Zeit, um nach Hause zu kommen, mir ein Ballett-taugliches Kleid überzuwerfen, mit zitternden Fingern Nylons überzustreifen, Heels und einen Mantel zu schnappen und den gleichen Weg zurück zu hasten. Fünf Minuten bevor die Vorstellung begann, war meine Reihe bereits komplett. Da sich mein Platz in der Mitte befindet, musste die halbe Reihe aufstehen. Ein distinguierter Herr meinte dann auch ziemlich belustigt: „Sie können doch nicht so spät eintreffen mit diesem Platz!“ Die ganze Reihe lachte, ich errötete. Als es dann Dunkel wurde und die Musik erklang, roch ich, dass meine Haut diesen wunderbaren Geruch von der Sonne angenommen hatte – endlich Frühling!

Ballett Zürich: Nijinski