Letzte Woche hab ich mein altes Ich gespiegelt gesehen. Mein Ich, das ich vor etwa vier oder fünf Jahren war. Ich hab in diesen grossartigen Spiegel geblickt, den man auch „Augen“ nennt. Hast du dir schon mal überlegt, dass der Spiegel aus „Schneewittchen“ (wer ist die Schönste im ganzen Land?) nicht wirklich ein Spiegel war, sondern zwei Augen? Nun? Genau. Leider ist es ja so, dass dieser grossartige Zauberspiegel lügt. Wie gedruckt. Er sieht, was er sehen möchte. Perfekte Projektion und so. Es gibt sie aber, die schwachen Stunden, wo man gerne glauben möchte, was der Zauberspiegel sagt. Wo man sich dreht und wendet und ganz verzückt. Nun? Genau.
Sowieso war das mal wieder eine sehr seltsame Woche. Am Freitag hatten wir WG-Hasi-Party. Grossartig. Viele Menschen da. Auch einige, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Und ich hab in den Spiegel geblickt und festgestellt: Wow, ich hab das vermisst. Unglaublich sehr vermisst. Es ist schon seltsam, dass man Menschen in ihrer Abwesenheit nicht vermisst und erst dann, in der kurzen Anwesenheit feststellt, wie sehr etwas gefehlt hat.
Und jetzt, da ich meiner bösen, ungehemmten Seite nachgegeben habe, sehe ich plötzlich auch die böse, ungehemmte Seite bei anderen. Ich hab ja schon viel erlebt und man würde mir wahrscheinlich eher nicht Naivität attestieren. Das ist aber falsch. Ich bin unglaublich naiv. Das ist eine sehr schöne Seite an mir, ich mag es naiv zu sein. Wenn man aber seine eigene Zwilicht-Seite mal wieder feststellt, öffnet das den Spiegel zum Gegenüber. Nun? Genau.
Die Sonne scheint. Und es ist Zeit für einen Ausflug. Ich schaue in den Spiegel und grinse einbisschen. Steht mir gut, so ein schiefes Grinsen. „Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille – und hört im Herzen auf zu sein.“ (Rilke)
Nun? Genau.