Mirakulöse Orte

Es gibt mirakulöse Orte auf der Welt, zu denen ich nie gereist bin. Ich habe sie nie gesehen, hab nicht mal Bilder gesucht, um zu sehen, wie es da wirklich aussieht. Trotzdem kenne ich sie ganz genau. Ich kenne Strassennamen, Plätze und weiss, wie es da riecht. Diese Orte kenne ich aus der Literatur und fühle mich ihnen sehr verbunden. Lese ich einen solchen Ortsnamen, erinnere ich mich an all die wundervollen Stunden – mit einem bisschen Wehmut – die ich dort verbracht habe. Zum Beispiel Teheran. Ich las von einem Teheran, das weltoffen war. Teheran fühlt sich wie Heimat an. Ich las über Kindheiten in Teheran und ich bin mir sicher, dass es einer der besten Orte auf der Welt ist, um aufgewachsen zu sein. Oder Santiago de Chile. Ich habe eine innere Strassenkarte von Santiago in meinem Kopf. Ich kenne Statuen und Plätze und weiss, dass Santiago – gefährlich und unergründbar – ein wahnsinnig schöner Ort ist, um jung zu sein. Zudem Budapest. Budapest trage ich an trüben Tagen in mir und weiss, dass es einen Ort gibt, der es mir gleichtut. Oder aber die Karpaten. Die Wälder der Karpaten, die sich über verschiedene Länder erstrecken und Platz bieten für ein ganzes Dasein, ein in sich gekehrtes Dasein – im Streit mit sich selbst verbunden.

Dahingehend ist die Literatur ein Schatz. Sie bietet mir neben meiner realen, erlebten Welt die Möglichkeit noch weitere Orte in mir zu tragen, deren Bilder nicht minder real sind. Du fragst mich, wie Santiago riecht? Ein Bisschen nach steinischer Kühle, nach Abgas, nach moderndem Verfall, nach seidiger Hitze, nach fettigem Haar.

Mir ging es immer so: Habe ich ein Buch über einen Ort gelesen, der mir aus irgendeinem Grund ans Herz gewachsen ist, suche ich weitere Bücher von diesem Ort, um mein Bild zu vervollständigen, um den Ort besser kennenzulernen. Es geht mir weniger um die Geschichte selbst, es geht mir um den Ort. Und erkenne ich Strassen und Gebäude wieder, lächle ich freudig, als ob ich einen Roman über meine reale Heimatstadt lesen würde.

Und falls ihr lesen wollt, denn lesen macht glücklich, hier je ein Beispiel:

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