Es gab einmal einen Künstler, ein Vorbild sozusagen, mit dem pflegte ich vor etwa zehn Jahren eine Brieffreundschaft. Es waren einige Nachrichten, die wir uns hin und her schickten, bis wir eine gemeinsame Sprache hatten, bis wir eine Tonlage hatten, die nur uns gehörte. Auf die letzte Nachricht von ihm, die ich erhalten habe und die ich je erhalten werde, denn er ist mittlerweile verstorben, hab ich nicht geantwortet. Meine unfertige Antwort liegt noch immer – seit fast zehn Jahren – in den „Entwürfen“ in meiner Mailbox. Als ich von seiner Krankheit aus den Medien erfuhr, habe ich ihm nicht geschrieben, ich dachte, ich hätte Zeit. Als ich dann von seinem Tod – diesmal über Push-Notification einer Zeitung direkt auf mein Mobile – erfuhr, habe ich fast nichts gefühlt. Ich hatte keinen Zugang zu meinen Gefühlen. Jetzt, da dieser Zugang zurückkehrt, trifft es mich sehr.
Ich weiss, dass man sich im Laufe eines Lebens solcher Dinge schuldig macht und man es nicht ändern kann. Trotzdem fühle ich jetzt die Reue, die Scham, die Trauer und die Demut.
Heute habe ich deine letzte Nachricht – nach fast zehn Jahren – das erste Mal wieder gelesen. Und da habe ich gefühlt, weshalb ich damals nicht darauf antworten konnte. Es war zu nah und viel zu weit weg. Zu weit weg von meinem Ton, von dem, was ich war und wie ich mich sah. Es war, als hättest du warme Butter über mich gekippt. Versteh mich nicht falsch, ich hätte natürlich darauf antworten können, ja sogar müssen. Ich hätte sicher einen Weg gefunden, wenn ich meiner mächtig gewesen wäre.
Hier hilft keine Entschuldigung und keine Blumen. Hier bin ich auf mich allein gestellt. Ich gehe jetzt durch die Trauer und die Scham und dann, wenn ich diese Gefühle hinter mir gelassen habe, fühle ich die Zuneigung, die Freude und erinnere mich an uns, daran was gut & schön war.
„Ich sehe Dich in den Raum kommen, denke meinen viel zitierten Satz, denke auch: sehe nur ich das? Marianne befand später, Du sähest “ganz schön fertig “aus, die Seite sah ich nicht, ich sah etwas Exzessives, Gezeichnetes, Durchlässiges, Haptisches. Ich glaube ich mochte Dich schon da umarmen.“
So sind wir, wir gehen ganz und gar zugrunde und erheben uns wieder.