Sie lesen diesen Beitrag auf eigene Gefahr!

Nach zwei sehr spezifischen Tagen im Tessin, die leicht und lustig waren, war ich gestern Abend nach gefühlten drei Stunden Schlaf am Zürcher Philosophie Festival. An einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Freie Liebe – und andere feuchte Träume“. Ich dachte, vielleicht würde die Gefahr bestehen, dass ich einschlafe. Dem war ganz und gar nicht so. Nicht, dass der Grund dafür Melanie Winiger oder Stefan Zweifel gewesen wären, die waren ziemlich langweilig. Ganz und gar nicht langweilig war Svenja Flasspöhler. Ich kann nur sagen: Wow. Ich hätte ihr trotz Müdigkeit, trotz Konzentrationssprung, trotz der Ablenkung durch die anderen Teilnehmer stundenlang zuhören können. Bei der Diskussion ging es dann auch um Erotik und Prüderie. Svenja sagte, dass sie die Bewegung zu einem gewissen Konservatismus der heutigen Jugend (Heiraten, Kinder kriegen, Haus bauen, Baum pflanzen, beziehungsweise Geburtsbaum aufstellen, etc.) nicht prüde nennen würde. Sie könne die Sehnsucht nach Zuverlässigkeit sehr gut verstehen. Was ihr mehr zu denken gäbe, sei, dass wir heute jede Form von Unsicherheit auszumerzen versuchen. Der erwachsene Mensch würde nicht mehr als mündiges Wesen angesehen. So würden überall Warnhinweise angebracht. Wir kennen das: „Achtung! Keine Haustiere oder Babies in die Mikrowelle!“, „Achtung! Kein Winterdienst! Begehen auf eigene Gefahr!“, „Danger! Quetschstelle! Das Hineingreifen in die Presse führt zu schweren Quetschverletzungen!“. Das führe dazu, dass diese Art des Sicherheitsdenkens auch in der Sexualität angewandt wird. Wir sind kurz davor einen Vertrag unterschreiben zu müssen, um in sexuelle Handlungen einzuwilligen. Was bedeutet, dass die Erotik stirbt. Denn die Erotik lebt vom Geheimnis, von der Doppeldeutigkeit.

Die Ambivalenz der Erotik nicht auszuhalten, das ist Prüderie.

Es würde uns gut stehen, wenn wir unser Hirn einschalten würden. Wenn wir etwas mehr gesunden Menschenverstand anwenden würden. Wenn wir uns als mündige Wesen verstehen würden, die sagen, was sie NICHT wollen. Und als solche, die es respektieren, wenn jemand nicht will. (Es geht also ums Nein und nicht ums Ja.)

Fantasmus hat mir mal erzählt, dass es in der SM-Szene ganz klare Regeln gibt. Dass man ganz klar sagt, was man will und es aber auch ganz klar respektiert wird, wenn man ablehnt. Das führe dann zu solchen Gesprächen unter Fremden:
„Hallo! Gerne würde ich Dich heute verhauen!“
„Oh, vielen Dank für dieses Angebot, aber darauf haben ich gerade keine Lust.“
„Alles klar, schönen Tag noch!“
Leider habe durch diese Direktheit keine Form von Flirt mehr Platz. Denn der Flirt lebt, wie die Erotik, von den Zwischentönen. Was in der SM-Szene durchaus Sinn macht, macht in einer Bar ganz und gar keinen Sinn, meiner Meinung nach. Denn einer der schönsten Teile der Sexualität ist ja eben gerade dieser Anfang. Wo ein Geheimnis besteht, wo man unsicher ist, wo man nicht weiss, was passieren wird. Wenn es dann ans Eingemachte geht, ist Kommunikation natürlich essenziell (und auch sehr aufregend).

Wenn beide Beteiligten nicht nein sagen, ist gegen einen guten Flirt ja nichts einzuwenden. Das ist dann wie das Schälen einer Zwiebel. Schicht um Schicht des Rätsels Lösung entgegen. Im Wissen darum, dass der Weg das eigentliche Ziel.

Use your brain

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