Es gibt Geschichten, die einem Menschen erzählen, die brennen sich ein. Das Bild, welches beim Zuhören entsteht, vergisst man nie. Und es verändert den Blick auf die Person, auf die Welt, auf seine eigene Gefühlslage.
Da gab es zum Beispiel diese Frau, die mir erzählte, wie sie ihren Vater nach einem Lastwagenunfall in Spanien identifizieren musste. Man hat sie zu ihrem Vater geführt, bevor der Körper präpariert wurde. Ein fürchterliches Versehen.
Das Bild, beziehungsweise die Emotion, welche entstand, als sie mir ihr Erlebnis erzählte, werde ich nie vergessen und immer fühlen können, immer abrufen können. Anfangs war das Gefühl unerträglich.
Manchmal ist es per se unerträglich mitfühlend zu sein und eine Begabung für Spiegelung zu haben. Aber ich weiss, dass das vergeht, dass die Bilder und die Emotionen in meinen Körper übergehen, dass es irgendwann weniger schmerzt. Ich weiss, dass ich daraus etwas ziehen kann. Verständnis, Toleranz, Offenheit. Aber auch dieses ganz seltsame Gefühl des „zum-Trotz“, diese traurige Fröhlichkeit, diese unendlich grosse Schönheit, die nur aus Dunkelheit und Abgrund wachsen kann. Das Gefühl, welches mich bewegt zu weinen und gleichzeitig ausgelassen zu tanzen. Zu heulen und zugleich zu lachen. Diese Tränen sind für die Augen, was der Regenbogen für den Himmel ist.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allem ihn trennt.
(Hesse)