Freitag
I really fucked it up this time
Diese Woche war eine zum aus dem Kalender streichen. So eine eine-Katastrophe-nach-der-anderen-Woche. Man denkt: Jetzt ist aber gut. Und schon tritt die nächste Katastrophe ein.
But it was not your fault but mine
And it was your heart on the line
I really fucked it up this time
Didn’t I, my dear?
Das einzig schöne an Katastrophen-Wochen ist, dass man merkt, wie viele Menschen man um sich hat, denen man nicht egal ist.
Hab in den vielen öden Wartezeiten zwei Bücher gelesen. „Vom Missgeschick der Tugend“ von Marquis de Sade und „Bis(s) zum ersten Sonnenstrahl“ von Stephenie Meyer. Ersteres war flüssig zu lesen, interessant und dann doch ab und zu etwas verstörend. Zweiteres war gute Unterhaltung und perfekt für Wartezimmer.
Jetzt aber neigt sich diese Woche dem Ende zu und ich freu mich auf eine neue, frische, unverbrauchte.
Leb wohl, Berlin, mit deinen frechen Feuern
2
Bald muß ich dich verlassen, mein Berlin.
Muß wieder in die öden Städte ziehn.
Bald werde ich auf fernen Hügeln sitzen.
In dicke Wälder deinen Namen ritzen.
Leb wohl, Berlin, mit deinen frechen Feuern.
Lebt wohl, ihr Straßen voll von Abenteuern.
Wer hat wie ich von eurem Schmerz gewußt.
Kaschemmen, ihr, ich drück euch an die Brust.
3
In Wiesen und in frommen Winden mögen
Friedliche heitre Menschen selig gleiten.
Wir aber, morsch und längst vergiftet, lögen
Uns selbst was vor beim In-die-Himmel-Schreiten.
In fremden Städten treib ich ohne Ruder.
Hohl sind die fremden Tage und wie Kreide.
Du, mein Berlin, du Opiumrausch, du Luder.
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide.
Alfred Lichtenstein
Grüningen sehen… und sterben?
Gestern musste ich mal raus an die frische Luft und hab einen Ausflug nach Grüningen gemacht. Grüningen ist ein Ort, von dem ich schon viel gelesen und gehört habe. Ich bin also mit Badana – mit gutem Schuhwerk ausgerüstet – nach Grüningen gefahren. Wir haben das herzige Dörfchen bestaunt, sahen uns eine seltsame Freilicht-Kunstausstellung an, gingen über den Friedhof, assen im Bären zu Mittag und spazierten am Flüsschen entlang, übers Gülle-Feld (O-Ton Badana: „Isch das Schissdräck?“), am Bienenstock und der Mühle vorbei hinauf zur Burg (die wie ein Gefängnis aussieht). Es war sonnig und warm. Danach haben meine Hasenviecher, die ich immerzu kritzle, Aufmerksamkeit erfahren (vielleicht gibt’s bald Shirts).
Am Abend sahen wir uns „Blade Runner“ auf teuflisch unbequemen Stühlen zusammen mit typischem Zürivolk an – sehr cool, sehr distanziert, sehr gefangen.
Jetzt, da ich mich selbst in den Wassertank eingewiesen habe, fühlt sich alles so neu an. Ich geniesse die langsamen Bewegungen gerade sehr und möchte mich der Welt nicht allzu sehr aussetzen. Ich bin sozusagen im Psycho-Urlaub. Und der Frühling ist die perfekte Kulisse. Ich und das Wetter sind sowieso ganz dicke. Je nach Situation untermalt das Wetter – ganz auf mich abgestimmt – passend. Man könnte meinen, ich sei Petrus Tochter.

Ohne Hoffnung geht gar nichts!
Mike sagt, es gäbe fünf Dinge, die man haben muss (oder nicht verlieren sollte) zum Glück. Die will ich dir natürlich nicht vorenthalten – vor allem, da 2010 ja mein Glücksjahr ist und damit auch deins, denn Glück färbt ab:
- Neugierde
- Begeisterung
- Sozialkompetenz
- Dankbarkeit
- Hoffnung
Punkt 5 (Hoffnung) hatte ich zwischenzeitlich vergessen gehabt, Mike musste mir auf die Sprünge helfen, was er mit einem Kopfschütteln getan hat (O-Ton: „Ohne Hoffnung geht doch nichts!“).
I LOVE MATTERHORN
Es gibt Dinge, die liebt man für immer. Da zerbricht die Liebe nicht oder geht auch nicht auf dem Weg verloren. Eine solche Liebe ist meine Liebe zum Matterhorn. Ich könnte es stundenlang anstarren. Und hab es schon stundenlang angestarrt. Seit meiner Geburt starre ich also jedes Jahr mindestens einmal diesen Berg an. Und kann es nicht fassen, wie schön er ist. Noch immer nicht. Ich weiss, es ist nur ein Berg. Dieser Berg aber ist er für mich die ultimative Darstellung von Perfektion und Schönheit. Als ich ein Kind war – unterwegs Richtung Pupertät – hab ich immer den Platz auf dem Sofa meines Göttis eingenommen, wo man den Berg so wunderbar hat sehen können und hab Tagebuch geschrieben. Irgendwie kann man sehr gut denken, wenn man das Matterhorn anstarrt.
Vielleicht ist das ja sowas wie ein Fluch. Wenn man unter dem Matterhorn geboren wurde, pflanzt es einem diese grosse Liebe ins Herz, die man niemals wieder los wird. Und so ist man dann wie ein Lachs, der den Fluss aufwärts schwimmt – grosse Beschwerden und Gefahren auf sich nehmend – nur um an den Ort seiner Geburt zurückzukehren. Das Gute ist: Man ist niemals, niemals, niemals heimatlos.
Bring Schauder mir!
Gestern waren Verdammnis-Theres und Vergebung-Dani bei mir und wir haben ein vorzügliches Hasen-Dinner genossen (trotz Abwesenheit des Hasen). Ich habe die beiden in die Gesetze von „Tat oder Wahrheit“ eingeführt und sie haben sich nicht schlecht geschlagen.
Heute morgen dann: Alles geht und dreht und wendet sich. Und wenn dabei nicht kotzen muss, hat man schon viel gewonnen.
Ich lese gerade Gedichte. (Und find es noch immer sehr verwunderlich, dass ich so gerne Gedichte lese.) Bei Brecht „Terzinen über die Liebe“ hab ich inne gehalten. „(…) Wohin, ihr? / Nirgendwohin. / Von wem entfernt? / Von allen. / Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen? / Seit kurzem. / Und wann werden sie sich trennen? / Bald. / So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.“
Und dann erinnerte ich mich an das Gedicht von Veronika Suter – eine Mitschülerin – die mir genau vor einem Jahr ein Gedicht geschrieben hat. Also, sie hat nicht MIR ein Gedicht geschrieben. Sie wurde von mir und meinem tiefschwarzen Herzen zu einem Gedicht inspiriert (was für ein schönes Kompliment!). Es geht so:
Nimm die Nacht mein Lieb
die Nacht, nimm
die Glut und Himbeerrot
nimm, mein Lieb
nimm dir
die Nacht
Lieb, mein Lieb, lieb
trink mit mir Eisblau –
wein mit mir
lach mit mir
so samten mit uns
die Nacht
Bring Schauder mir
nimm mich mit
in die Nacht
mein Lieb
In die Nacht
mich, mein Lieb, nimm
mich, nimm
die Nacht
Ihr hättet hören sollen, wie sie es vorgetragen hat! Ich hatte noch Tage später Gänsehaut. Das war ein sehr schöner (sehr trauriger) Tag, damals, als Veronika mir ein Gedicht geschrieben hat.
Lange Schatten
Das Leben ist wie italienische Zahnpasta.
Das sagt Carlos Fuentes in seinem Roman „Diana oder die einsame Jägerin„. Übrigens eines meiner Lieblingsbücher. Ich finde den Ausspruch treffend. Vielleicht auch sinnlos. Aber trotzdem treffend. Wenn das Leben wie italienische Zahnpasta ist, wie ist es dann? Vielleicht süss, vielleicht rosa oder weiss, vielleicht auch grün-weiss gestreift? Und dann vielleicht frisch, scharf, brennend? Vielleicht auch reinigend, wiederkehrend und alltäglich? Oder aber vielleicht billig?
Sowieso finde ich Zahnpasta und auch Zahnbürsten ein lustiges Phänomen. Vor allem in Beziehungen. Früher hatte ich einen regelrechten Zahnbürsten-Tick. Wenn ich eine Zahnbürste bei einem Mann zu Hause im Zahnbecher stehen hatte, hat das für mich eine ernste und feste Beziehung bedeutet. Ich habe mich jeweils lange geweigert eine „eigene“ Zahnbürste dort zu haben. Ich habe meine von zu Hause mitgenommen und sie nie bei ihm gelassen. Mittlerweile hab ich’s nicht mehr so mit Symbolen. Sprich: Ich nehm alles ein bisschen leichter. Trotzdem ist es etwas spezielles, wenn ich eine Zahnbürste wo habe. Im Moment habe ich eine bei Eddie und eine bei Mr. Fox. Die eine ist grün und die andere pink. Und bei mir zu Hause – genauso wichtig – stehen sechs Zahnbürsten im Glas. Sie gehören Badana (pink), Mr. Fox (blau), Eddie (blau-grün), Häschen (grün-blau), Peter (grün) und mir (weiss).
Und wenn man dann an den Punkt kommt, wo man Abends mit versteinertem Gesicht im Bad steht und eine der Zahnbürsten durch die Finger dreht, sie lange ansieht und sie dann mit abgewandtem Blick in den Müll wirft, das Bad schnell verlässt, das Licht hastig löschend, dann ist das immer ein unglaublich trauriger Moment. Denn mit der Zahnbürste geht auch der Mensch. Mit der Zahnbürste hört ein Teil des Alltags auf. Mit der Zahnbürste verliert man ein Leben, eine Freundschaft, eine Liebe. Darum hab ich früher, wenn ich eine Beziehungskrise hatte, immer als erstes meine Zahnbürste bei ihm entfernt. Ich hab sie eingepackt und gehofft, dass diejenige, die übrig geblieben, einsam wirkt und lange Schatten gegen die Badezimmerfliesen wirft.
Veilchen. Oder aber: Wir alle fallen.
so:
Es mögen Veilchen
aus Ophelia’s Körper spriessen
voller Würze,
nicht dauerhaft,
lieblich,
nicht beständig;
der Duft und das Gewähren einer Minute.
(aus Hamlet)
oder aber:
Die Blätter fallen, fallen wie
von weit, als welkten in den
Himmel ferne Gärten.
Sie fallen mit verneinender
Gebärde, und in den Nächten
fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die
Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da
fällt. Und sieh dir andre an:
Es ist in allen.
Und doch ist einer, welcher
dieses Fallen unendlich sanft
in seinen Händen hält.
(Rainer Maria Rilke)
Wurde aber auch Zeit!
Na, endlich! 2010 ist da und ich sehr glücklich darüber. 2010 ist nämlich mein erklärtes Glücksjahr und somit auch Deins, denn Glück färbt ab.
Die letzen zwei Tage und Nächte waren wundervoll. Der 30. Dezember hat sich zum Partyabend schlechthin gemausert und die Silvesternacht war ebenfalls die reinste Freude. Ich habe meine Schuhe durchgetanzt und bin mit Blick auf den Vollmond sanft ins 2010 rübergeglitten.
„Und was nützen Bücher“, dachte Alice, „ohne Bilder und Gespräche?“ (Alice im Wunderland)
Im diesem, neuen Jahr freue ich mich auf das Zusammentreffen mit all den herzlichen und interessanten Menschen um mich herum. Und ich freue mich auf: Flausen! Flausen! Flausen!
Party on.




