Konsequenzdilemma

„Tit for Tat“ ist eine Strategie für ein Spiel im Sinne der Spieltheorie. „Tit for Tat“ ist wohl mit „Wie Du mir, so ich Dir“ zu übersetzen. Aaaaaaaaaaaaaaaaber so negativ, wie „Wie Du mir, so ich Dir“ gemeinhin aufgefasst wird, ist diese Strategie nicht. In der Spieltheorie bezeichnet „Tit for Tat“ die Strategie eines Spielers, der in einem mehrperiodigen Spiel im ersten Zug kooperiert und danach genauso handelt wie sein Gegenspieler in der jeweiligen Vorperiode. Hat letzterer zuvor kooperiert, so kooperiert auch der „Tit for Tat“-Spieler. Hat der Gegenspieler in der Vorrunde hingegen defektiert, so antwortet der „Tit for Tat“-Spieler zur Vergeltung ebenfalls mit Defektion. Allerdings ist, wenngleich das aus dem Namen nicht hervorgeht, der Spieler zu Beginn auf jeden Fall kooperativ. Es handelt sich also um eine freundliche Strategie. Wenn zwei „Tit for Tat“-Spieler aufeinander treffen, kooperieren sie immer.

Mir wurde mal erklärt, dass eine abgewandelte Form von „Tit for Tat“ die grössten „Gewinne“ erzielt: Sei kooperativ. Wirst Du aber verarscht gebe eine Warnung ab und kooperiere wieder. Wirst du erneut verarscht – trotz der Warnung – kooperiere nie wieder. Ich habe mir gedacht: Das lässt sich doch wunderbar aufs Leben übertragen!
Leider ist das nicht so einfach. Das sieht man ja schon bei der Kindererziehung. Wie oft hört man: „Wenn Du jetzt nicht sofort aufhörst damit – ich sage es jetzt ein letztes Mal – dann bekommst Du keine Schoggi!“ Und wie oft beobachtet man Eltern dann in ihrer Inkonsequenz und sie geben dem Kind Schoggi obwohl es nicht aufgehört hat. Ja, ja, es ist so eine Sache mit der Konsequenz. Oder wie Pier Paolo Pasolini mal gesagt haben soll: „Ich weiss sehr wohl, wie widersprüchlich man sein muss, um wirklich konsequent zu sein.“

So überhaupt keine Begabung für Mitte

(„Das erste Anzeichen wirklicher Liebe ist bei einem jungen Mann Schüchternheit, bei einem jungen Mädchen Kühnheit.“ sagte einst Victor Hugo, es muss Sommer gewesen sein, er lehnte ans Fenster und blickte hinaus. Sein Gegenüber, es war wahrscheinlich eine Frau, vielleicht trug sie ein Sommerkleid, dachte wohl, dass er gar nicht schüchtern wirke und überlegte sich dann, ob er es als kühn empfand, dass sie ohne Anmeldung bei ihm aufgetaucht war. Wahrscheinlich empörte sich die Frau auch ein bisschen darüber, dass Victor ihr damit andeutete, dass er glaube, sie sei in ihn verliebt, er hingegen teile diese Gefühle nicht.)

Schon wieder ein Anfang einer Geschichte. Wer weiss, wie ich sie hätte ausgehen lassen, wenn ich sie zu Ende geschrieben hätte. Ich habe sie aber nicht zu Ende geschrieben und werde sie auch nie zu Ende schreiben. Warum? Manchmal gibt es kein „Warum“ und das ist genau der Haken an der Sache. Mittlerweile glaube ich sowieso, dass ich mich besser für Anfänge eigne – und das nicht nur bei Geschichten auf Papier. Wer wollte es nicht? Unbeschwertheit leben. Am Anfang ist alles leicht. (Obwohl ich die Tendenz habe, auch Anfänge schwer zu gestalten. Wahrscheinlich als Ausgleich zum nicht existierenden Mittelteil.) Das würde dann im obigen Geschichten-Beispiel so aussehen:

(… Wahrscheinlich empörte sich die Frau auch ein bisschen darüber, dass Victor ihr damit andeutete, dass er glaube, sie sei in ihn verliebt, er hingegen teile diese Gefühle nicht. Sie machte also einen Schritt auf ihn zu, (er schaute noch immer aus dem Fenster und sah diese plötzliche Bewegung nicht) stiess mit beiden Armen kräftig zu, die Scheibe splitterte, Victor sah sich erschrocken und ungläubig zu der Frau um, taumelte, versuchte sich festzuhalten, was ihm nicht gelang und fiel. Das Geräusch, das er machte, als sein 92 Kilogramm schwerer Körper auf dem Kopfsteinpflaster aufschlug, erinnerte die Frau an das Krachen und Knirschen eines gefällten Baumes.)

So ist das also. Ein Anfang und gleichzeitig ein Ende. Es stellt sich also die Frage: Warum anfangen, wenn ich keine Begabung für Mitte habe? Wer kauft schon ein Buch (oder lebt ein Leben), das keinen gehaltvollen Inhalt hat? Eben. Niemand.

Ich glaube an Nächte

In der Nacht tanzen die grauen Katzen unter farbigen Lichtern

In der Nacht tanzen die grauen Katzen unter farbigen Lichtern

Du Dunkelheit, aus der ich stamme,

ich liebe dich mehr als die Flamme,

welche die Welt begrenzt,

indem sie glänzt

für irgend einen Kreis,

aus dem heraus kein Wesen von ihr weiss.

Aber die Dunkelheit hält alles in sich:

Gestalten und Flammen, Tiere und mich,

wie sie’s errafft,

Menschen und Mächte –

Und es kann sein: eine grosse Kraft

rührt sich in meiner Nachbarschaft.

Ich glaube an Nächte.

(Rainer Maria Rilke)

Nachts zu arbeiten ist anstrengend. Und auf die Dauer sicher nervig. Doch für eine kurze Zeit, so wie ich das gerade mache, hat es etwas wunderbares. Gestern Abend sind Dani (Dani ist mein Weihnachtseinräumhilfeteamkollege) und ich in den obersten Stock der Buchhandlung gefahren, um Kisten zu verteilen, die wir zuvor vergessen hatten. Es war stockdunkel. Wir haben uns den Weg mit dem Handy geleuchtet. Und fanden die Religion (oder waren es die Finanzen?) erst beim dritten Mal vorbeigehen. Die Stimmung bei Nacht in einem so grossen Laden ist irgendwie befremdend. Aber nicht nur das. Auch herausfordernd und abenteuerlich.
Mein Weihnachtseinräumhilfeteam ist richtig toll. Es macht Spass mit den Dreien zu arbeiten.
Heute habe ich beim Durchsuchen meines eigenen Bücherregals – ich war auf der Suche nach einem Buch für Dani, das er gerne ausleihen möchte, bemerkt, dass ich unglaublich viele Gedichtbände von Rilke besitze. Und jetz lese ich in einem dieser Gedichtbände und merke, dass ich es mag. Ausserdem hab ich „Mein Herz so weiss“ von Javier Marias wiederentdeckt. Nur schon die ersten zwei Seiten sind einfach Wahnsinn. „My hands are of your colour; but I shame / To wear a heart so white.“ (Shakespeare)

Glück am Ende

Demokrit sagt: „Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“ Ich glaube, dass er damit nicht mal so unrecht hat. Dieses blöde 2009-Jahr hat für mich ja unglaublich beschissen angefangen. Und irgendwann hab ich mich für den mutigen Weg entschieden. Loslassen, gehen und immer schön beweglich bleiben. Das war oft sehr niederschmetternd und ich hatte auch immer mal wieder Angst. Und jetzt, da das Jahr bald zu Ende geht, hat sich mein Mut bezahlt gemacht. Noch immer bin ich sehr fasziniert und auch etwas ungläubig. So stehe ich also hier, am Ende eines viel zu anstrengenden Jahres und bin glücklich.
„Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.“
Das ist ein Zitat von Erasmus von Rotterdam. Und auch das würd ich glatt unterschreiben. Sogehtdas.

Hut ab!

Schauspielhaus Zürich, 31. Januar 2009, 21.41 Uhr (Foto: Frank)

Schauspielhaus Zürich, 31. Januar 2009, 21.41 Uhr (Foto: Frank)

Es gibt Momente, an die erinnert man sich gern. Damals, als der Moment Gegenwart war, fand man den Moment gar nicht lustig. Oder zumindest anstrengend. Nicht wegen den Äusserlichkeiten. Nein, ganz und gar nicht. Sondern wegen der Innerlichkeit. So ein Moment war der 31. Januar 2009, 21.41 Uhr. Ich sass zusammen mit Frank im Schauspielhaus Zürich und schaute mir „Immanuel Kant“ an. Frank hatte ich gerade an diesem Abend kennen gelernt und er war ein Glückstreffer. Ein sehr netter Zeitgenosse, spannend, intelligent und er sieht gut aus. Nun ist es aber so, dass ich damals im tiefsten Sumpf von übelstem Liebeskummer sass – es war zum heulen. Und wer die Erfahrung von tiefstem, übelstem Liebeskummer mit mir teilt, wird mir Recht geben, wenn ich sage, dass in einem solchen Moment Blinddates (oder Ähnliches) nicht unbedingt gerade total viel Spass machen. Aber sie sind notwendig. Denn zum Überleben gibt es nichts Besseres als Wagemut. Und genau aus diesem Grund erinnere ich mich heute gern an den Moment im Schauspielhaus. Nicht, weil es mir damals besonders gut ging, nein. Sondern weil es mir heute gut geht und ich bei mir denken kann: „Hut ab! Du hast es überlebt. Und noch nicht mal schlecht überlebt. Respekt.“ Ich tue also gut daran, mich immer mal wieder an den Moment im Schauspielhaus zu erinnern. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Zeit wirklich heilt. Heute also dies: „Süss ist es, allem Ungemach entflohen zu sein.“

schneller weiter höher niedriger tiefer schneller breiter leben

„Ein Wort kann sie töten, ein Lächeln ein Blick.“ (Tadeusz Rósewicz)

Nach langem Durst oder grossem Hunger, ohne, dass dieser gestillt oder genährt wurde, taucht ein Wesen auf aus der Flut, ein Halbwesen, ein Wesen, durch das kein Blut fliesst, das niemals schläft. Ein solches bin ich nun. Ich kenne das bereits, es ist nichts Neues oder Ungewöhnliches. Der Vorteil dieser Lebensphase ist, dass es nichts gibt (ausser vielleicht der Tod und auch der ist sehr unwahrscheinlich), das einen verletzen könnte. Es gibt nichts und niemanden. Es ist, als ob sich jedes Risikobewusstsein oder jede Form von Pech oder Ungeschicktheit vorübergehend verabschiedet hätte. In dieser Phase ist man äusserst gefährlich für andere Menschen. Weil man leuchtet, irisierend ist. Weil man anzieht. Und eben auch abstösst. Weil man keine Härte fühlt und keine Gefahr. Weil man gleichgültig ist. Weil man Macht hat und von dieser Macht auch Gebrauch macht. Weil man sich keiner Schuld bewusst ist. Weil man Sätze sagt wie „Ich werde dich verletzen.“ Und den anderen dann auch wirklich verletzt. Aber man hat ja gewarnt!

Dieser Phase werde ich entwachsen, ich werde meinen Glanz verlieren, werde wieder fühlen können, werde meine Gleichgültigkeit aufgeben und wieder Mensch werden. Bestimmt. Irgendwann. In der Zwischenzeit versuche ich meine Kräfte sparsam einzusetzen. Ich versuche nicht allzu sehr zuzubeissen.Versprochen!

Schneller essen trinken lesen leben

schneller lieben / weiter fahren

fliegen mehr schneller reden

schneller auseinandergehen abgehen zurücklassen

mehr hören sehen

anschauen anfassen riechen

anschauen besitzen schmecken

lieben hier sein dort sein

und noch wo sein

lauter lachen stossen / laufen atmen schneller / mehr

schneller weiter höher niedriger tiefer schneller breiter leben

essen trinken schlafen / lieben

länger leben

(Tadeusz Rósewicz)

Die Mathematik des Verrats

Badana hat mir empfohlen „Die Mathematik der Nina Gluckstein“ zu lesen. Ich bin sehr gespannt. Der Klappentext verspricht ja so einiges: „Ist Nina Gluckstein tatsächlich die Frau, die weiss, wie die Liebe funktioniert? Selten ist die Liebe so auf das Wesentliche reduziert dargestellt worden wie in dieser Novelle. Zugleich eine Liebesgeschichte voller Raffinesse und subtiler Spannung. Die Mathematik der Nina Gluckstein ist eine Mathematik des Herzens, des Liebens und des Geliebtwerdens.“ Uiuiuiui. Bald bin ich unendlich viel gescheiter!

Ich habe gerade „Verkaufen“ von Clancy Martin zu Ende gelesen. Und es hat mir gefallen. Ein verrücktes Buch. Es geht um einen Diamanten-, Schmuck- und Uhrenhändler, der nicht nur Diamanten, Schmuck und Uhren verkauft, sondern auch sein Herz, seine Seele. Die Philosophie des Verkaufens (oder wollen wie „die Mathematik des Verkaufens“ sagen?) wird sehr präzise und eindringlich dargestellt.

Etwa so?

So vielleicht?

Bei mir im Geschäft passiert gerade etwas sehr unheimliches (und sehr menschliches): Irgend eine Mitarbeiterin (und dass es eine Frau ist, hat mir meine Chefin verraten) „schwärzt“ mich seit Wochen bei meiner Chefin an. Ich würde beim Arbeiten die Füsse auf den Tisch legen (????), ich würde es zu locker nehmen, zu wenig lang arbeiten, etc. Wenn ich dann meine Chefin frage, ob sie denn auch das Gefühl hätte, ich würde es zu locker nehmen, dann sagt sie: „Nein! Ich weiss ja, dass das nicht stimmt! Ich wollte dir nur sagen, dass du beobachtet wirst.“ Ich kann nur den Kopf schütteln. Ich meine: Hallo?! Wie respektlos ist das denn? Diese ominöse Mitarbeiterin ist noch nie direkt auf mich zugekommen. *seufz* Menschen gibts…

Alle Sünden dieser Welt

„Alt werden ist natürlich kein reines Vergnügen. Aber denken wir an die einzige Alternative.“ (Robert Lemke)
Wir denken erst im Herbst über die Alternative nach.  Im Frühling und im Sommer dieses Jahres werden wir erstmal alt. Und zwar so richtig alt. Sowas von höllisch alt, dass man gar nicht älter werden kann.

Im Alter bereut man vor allem die Sünden, die man nicht begangen hat.“ (William Somerset Maugham)
Und darum, bevor wir im Herbst über die Alternativen nachdenken, begehen wir im Frühling und im Sommer dieses Jahres alle Sünden, die man begehen kann und werden dabei alt. Ihr wisst schon, so richtig alt. Damit niemand sagen kann, wir hätten uns keine Mühe gegeben. Das wär ja noch schöner…

Hippies müssen nie weinen

Mein nächstes Leben lebe ich als Hippie

Mein nächstes Leben lebe ich als Hippie

Ich möchte ein Hippie sein, im warmen Solar
Dann müsste ich nicht mehr schrei’n
Alles wär so klar

Hippies müssen nie weinen

Ich möchte ein Hippie sein, im warmen Solar
Hippies müssen nie weinen
Dann müsste ich nicht mehr schrei’n, alles wär so klar

Ich möchte ein Hippie sein, im warmen Solar
Dann müsste ich nicht mehr schrei’n
Alles wär so klar

Hippies müssen nie weinen, Hippies müssen nie weinen, Hippies müssen nie weinen, Hippies müssen nie weinen, Hippies müssen nie weinen, Hippies müssen nie weinen, Hippies müssen nie weinen, Hippies müssen nie weinen…