Ode an R.

So ist das doch immer: Kaum denkt man über Wehmut nach, erinnert sich an „magische Momente“ und fragt sich, wann denn der nächste kommen mag und *zack* ist er auch schon da. Wer weiss, wie lange die Erinnerung lebendig sein wird. Aus diesem aktuellen Grund, hier die Ode an R.:

„Blau und grün ergibt Blaugrün“, sagst du und grinst mich von der Seite an. Dein „Shirkan-der-Tiger“-Mund formt sich zu einem Lachen, das sich auf deinem Gesicht ausbreitet, so wie sich Wasser aus einem umgekippten Glas auf einer Tischdecke ausbreitet. Ich habe dich nicht nach Zukunft gefragt, denn das habe ich mir längst abgewöhnt. „Blau und grün ergibt Blaugrün“, sagst du so, als ob damit alle Fragen geklärt wären. Ich habe bis zum Schluss nicht herausgefunden, wonach du riechst. Dein Geruch – mir fällt partout nicht ein, woran er mich erinnert. Dir fällt Nähe leicht, scheint mir, deine Herzlichkeit ist entwaffnend. Woraus besteht unsere Distanz, frage ich mich und denke nicht an Geografie. Ich habe dir meinen Willen aufgezwungen, hab die Grenze überschritten. Du kannst auch damit umgehen, meine ich und blicke auf meine nassen Schuhe. Mir scheint, deine Gefühle sind wie Holzscheite, die beim Hacken zu Boden fallen. Halbherzig hab ich dann und wann ein Scheit aufzufangen versucht. Wir mögen heute gut Kirschen essen. Du bist herrlich ambivalent, alles an dir. Dein Gesicht würde an einen Filmhelden erinnern, wären da nicht die Narben und der nach aussen getragene Makel. Deine Attitüde eine Mischung aus Rehkitz und Marlon Brando. Dein Umgang souverän, gespickt mit Unsicherheit (so wie man Rosinen in Kuchen findet). Wer könnte dich heute besser umfassen, wenn nicht ich? Ich bin neugierig, wie du wohl mit fünfzig – mit der Zeitung in der Hand – vom Sofa aufstehst. Knacken deine Knie? Beugst du dich vor und wirfst die Zeitung lässig auf den Couchtisch? Dein Blick, dein Ausdruck in den Augen hat etwas von einem Florett. (Ursprünglich war das Florett eine reine Übungswaffe.) Natürlich, ich habe kein Recht deine Hand zu halten. Natürlich nicht. Deine Handfläche ist warm und feucht – ich bin mir nicht sicher, hast du kleine Hände? Lange Finger vielleicht. Fürchtest du dich vor meiner Selbstverständlichkeit? Oder ist dir bloss kalt? „Blau und grün ergibt Blaugrün“, sagst du und grinst mich von der Seite an. Und schon schiebt sich die Dämmerung zwischen uns.

gefunden worden sein

Es gibt Bücher, die finden mich. Nicht ich finde sie, nein. Sie finden mich. Wie selbstverständlich haben sie mich entdeckt, mir Horizont eröffnet. Eines dieser Bücher ist „Brief an D.“ von André Gorz. Es ist schon eine Weile her, dass ich es gelesen habe. Und heute, da ich Anna Gavalda „Ein geschenkter Tag“ lese, fliegt mir der erste Satz dieses Buches zu, Anna Gavalda zitiert ihn: „Bald wirst Du jetzt zweiundachtzig sein. Du bist um sechs Zentimeter kleiner geworden, Du wiegst nur noch fünfundvierzig Kilo, und immer noch bist Du schön, graziös und begehrenswert. (…) Es bleiben viele Dinge, die ich verstehen, klären muss. Ich muss die Geschichte unserer Liebe rekonstruieren, um sie in ihrem ganzen Sinn zu erfassen. (…) Ich schreibe Dir, um zu verstehen, was ich erlebt habe, was wir zusammen erlebt haben.“

Viele meiner Freunde haben „Brief an D.“ gelesen. Wie selbstverständlich habe ich es am Freitag im Bücherregal einer Freundin entdeckt. Es ist in einem kleinen Verlag erschienen – ein Buch, das nicht stapelweise in einer Buchhandlung zu finden ist. Und trotzdem: Es taucht überall auf. Denn es ist ein Buch, dass seine Leser sucht, findet und erobert.

Stolze & Berauschte

Dieses Wochenende verbrachte ich am Stolze Openair. Hach. Es war ein richtiges Sommerwochenende mit Musik, Wiese, Bier, buntem Treiben, Grasflecke auf Ellbogen und Knien, Menschen, die nach Erde rochen und vielen lustigen Gesprächen mit Betrunkenen. Am Samstagabend kam Kirschbub nach Zürich und gab sich als meinen kleinen Bruder aus. In einem Gespräch mit einem von den besagten Betrunkenen wurde Kirschbub auf glatte 19 Jahre geschätzt, was dann doch sehr lustig war.

Ausserdem hab ich einen Heiratsantrag angenommen, dann aber meine eigene Hochzeit verpasst (die Hochzeitsgesellschaft hat sich am Sonntag Morgen um 11 Uhr vor dem Fraumünster die Beine in den Bauch gestanden), meinen Ex mit einer attraktiven Dame verkuppelt, feststellen müssen, dass mein Humor nicht immer verstanden wird, einen Cervelat auf Peters Dachterrasse schwarz gegrillt und einmal mehr gelernt, dass Bier auf leeren Magen nicht gut kommt.

„Man muss immer trunken sein.
Das ist alles:
das einzige Geheimnis.
Um die schreckliche Last der Zeit nicht zu spüren,
die deine Schultern zerbricht
und dich zu Boden drückt,
musst du dich unendlich berauschen.
Doch womit?
An Wein, an Versen oder an Tugend,
wie du willst.
Aber berausche dich.
(Charles Baudelaire)

Monde und Jahre vergehen. Doch…

Nun gut. So sieht sie also aus die Realität. Die Büro-Montag-Arbeit-Sitzungs-NachFerien-Realität. Von Weitem betrachtet also alles ganz blöd und langweilig und ziemlich harzig. So gehen wir also rein in die kleinen Dinge. Die, die versteckt unter Steinen verborgen leuchten. Die, die man im Rinnstein findet, dort, wo das Abwasser bei Regenfall sich seine Wege bahnt. Und siehe da! Wir haben heute kleine Alltagslichter gefunden. Nämlich folgende:

  • Meine Bürobezugsperson ist heute traurig (sehr traurig). Und da bin ich mit ihm Mittagessen gegangen und es war trotz der Traurigkeit schön. Ich mag ihn einfach.
  • Felix sieht heute wahnsinnig gut aus und er hat mich zum Lachen gebracht.
  • Ich treffe heute vielleicht einen lieben Freund (den ich viel zu lange nicht gesehen habe) und geniesse die Vorfreude.
  • Ein Projekt nimmt langsam Formen an und ich mag die Formen, die es annimmt und kann zufrieden sein.

Abgesehen von den kleinen Freuden vermisse ich Berlin sehr. Berlin ist eine bezaubernde Stadt. Man kann sich ihr hingeben und wird Tage später ausgespuckt, man reibt sich verwundert die Augen und kann auf bunte Abenteuer zurückblicken. Berlin ist garstig und hässlich und wunder-, wunderschön. Berlin atmet man ein und fühlt sich in eine andere Welt versetzt. In nur 7 Tagen hab ich Geschichten gelauscht, Dinge betrachtet, Musik gehört, Menschen getroffen, Bilder angesehen (stete und unstete) und bin nun randvoll mit Eindrücken. Hach.

Nun gut. „Monde und Jahre vergehen, aber ein schöner Moment leuchtet das Leben hindurch.“ (Franz Grillparzer)

So geniesse ich die Erinnerung an den Moment. Und versuche mein gfrässiges Herz im Zaum zu halten. (hahahahahahahahaha!)

Lektionen in Demut

Am Wochenende hab ich ein paar Geister der Vergangenheit getroffen. Ähnlich wie in der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Es gab da Momente, da fühlte es sich an, als hätte man so ne Flüssigkeit in mein Herz gespritzt. So ne Flüssigkeit, die das Herz schockgefriert. Und dann so seltsam anfühlen lässt. Ich stand da also in Lokalen, die nicht mehr verraucht waren und drarussen war Regen und mein Herz war also so einbisschen gummig und weisslich und die ganzen Gerüche und Worte und Hände und vielleicht auch die Lippen, die waren alle irgendwie künstlich. Benno (oder hiess er Björn?  Oder Bruno? Oder Baldrian?) sagte, es gebe da so ein Lied von Trio. Das hiesse „Sabine Sabine Sabine“. Als ich mir das Lied dann anhörte, fand ich das grad sehr passend und unglaublich lustig. Hochmut, aber, kommt vor dem Fall und ich will mich in Demut üben, denn das einzige, was man mit einem schockgefrorenen Herzen tun kann, ist, den Verstand zu schärfen und sich in Demut zu üben. Oder aber mutig sein, denn wie Fontane sagt: „Zwischen Hochmut und Demut steht ein drittes, dem das Leben gehört, und das ist der Mut.“

Lektionen in Demut von Thomas D.:

Du hast die Wahl ob hier das Paradies oder die Hölle ist
Denn du bist Schöpfer deiner Welt obwohl du Teil von ihr bist
Du trägst Verantwortung für Alles was in deinem Leben geht
und auch ein Stück vom Herzen eines Jeden der dir nahe steht
Und wenn du dich dennoch fühlst wie jemand der alles verloren hat
und Gott für alles die Schuld gibst nur weil er dich geboren hat
Dann wird es Zeit, dass dich endlich jemand am Kragen packt
Dich schüttelt und dir sagt, dass er’s nur einmal sagt

Mr. Darcy & die grüblerische Einbildungskraft

Die verschiedenen Mr. Darcys

Welchen hätten s' denn gern?

Man sollte aufpassen, was man sich wünscht. Kaum hab ich mir „nur ein kleinbisschen Äktschen“ gewünscht, ging am Freitagabend an der Rap History in der zweiten Heimat die Post ab. Da war Thomas, der eine Zahnlücke hatte und Berndeutsch sprach, der sich mit mir über Gott und die Welt „unterhalten wollte“ und dann fand Tim, dass der Abend ausgesprochen schön sei und der, der Zahlen als Farben sieht (du erinnerst dich?) war auch da und hat gequält geblickt und dann war da noch Philip, der wie ein Reptil in der Mitte des Raumes sass und mir seine Geschichte erzählte, eine einigermassen lächerliche und doch auch traurige Geschichte, dass er seine „Fickbeziehung“ (notabene 16 Jahre jünger als er) zu erziehen versucht und ich wusste und auch er wusste (ohne es zugeben zu wollen), dass er bereits verloren war, dass er an ein Vampirherz geraten war und nur seiner Eitelkeit war es verschuldet, dass er leichtfertig mit der Sicherheit des Herzens umgegangen war.
Und immer mal wieder zwichendurch wollte Tomte mit mir tanzen und mich festhalten und wohin gehen, was mich fassungslos machte. So sehr ich oft die Schönheit von Menschen erkennen kann, so sehr sehe ich zurzeit die Hässlichkeit. Die kleinsten Details. Die Haare in den Ohren, die grossen Pooren, die Rötungen, die fahrigen Bewegungen, die hängenden Schultern, die eingefallenen Wangen. Ich höre die zu hohe Stimme, ich wundere mich über die undifferenzierten Äusserungen.

Dagegen hab ich nun Massnahmen ergriffen. Ich hab mich den Rest des Wochenendes tunlichst aus der breiten Öffentlichkeit zurückgezogen und hab angefangen „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen zu lesen (zum x-ten Mal). Hoffentlich hilfts.

Es wird schon helfen.

Wie soll Mr. Darcy nicht helfen?

Eben.

Auf einem Bildschirm im Schiffbau las ich: „Die Einbildungskraft ist grüblerisch.“

Vorwärts! Äkschen!

Manchmal hab ich das Gefühl von Stillstand. Ich mein, das ist ja alles ganz toll und so und man kann sich oft sogar dabei entspannen. Aber. Aber an so einem trüben Montagvormittag ist das echt für die Katz. Ich mein, entspannen? Am Arsch hinä! Das Wochenende war schön und lustig. (Mal abgesehen davon, dass Felix sich auf der Heimfahrt die Seitenbänder am Fuss gerissen hat.) Ich hab Muskelkater vom auf der Wiese rumgümpen, hab doch n bisschen Sonne abbekommen, war am Sophie Hunger Konzert, an einer Vernissage und wurde bekocht. Alles gelassen, alles friedlich.
Wenn da nur nicht meine Pelztiere im Kopf Frühlingserwachen auf modern inszenieren würden. Gerade streichen sie die Wände bunt und fertigen Scherenschnitte von Killerhasen an. Alles brüllt und schreit: Vorwärts! Los! Hü! Jetzt aber dalli! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!

Puh. Ziemlich nervtötend. So ein inneres Reissen ist also gar nicht angenehm. Nein, wirklich nicht. Es scheint, als ob sich gerade alles gegen die Wassertankexistenz wehrt.
Äkschen!
Nein, nein, nix Äkschen. Jetzt wird das mal durchgehalten. Spielen kann ich dann wieder im September.
Bläh. Langweilig.
Ja, ja…

Lachen, Schnaps trinken & sich beim Sex erwischen lassen

Hasenherz war gerade in Gedanken...

Hasenherz war gerade in Gedanken...

Mir ist aufgegangen, dass ich süchtig nach Kaffee bin. Als hätte ich nicht schon genügend Probleme mit meinem Suchtpotential. Meine Kaffeesucht äussert sich in unkontrolliertem Zittern in den blödsten Momenten. Zum Beispiel, wenn ich im Ausgang sehr cool Feuer geben will. Und das Gegenüber dann verzweifelt versucht mit der Zigarette im Mund meiner Hand zu folgen. Das sieht dann aus, als hätte besagte Person einen Presslufthammer gefressen. Seeeeeeeeeeehr lustig. Aber nicht unbedingt sehr cool. Ich bin jetzt auf koffeinfreien Kaffee umgestiegen. Wenn du mich also zufällig auf der Strasse triffst, mit einem Gesicht, als hätte ich eine Zitrone, gefüllt mir Chili im Mund, dann nimm es mir nicht übel. Grüss freundlich und halte Abstand.

Letztes Wochenende hatten wir Ski-Weekend mit der Firma. Ich bin seit langer Zeit mal wieder auf dem Board gestanden. Und es hat Spass gemacht, grossen Spass. Heute spür ich jeden Muskel und fühle noch immer mein Hirn in der Schädelschale (eine Folge von einem ziemlich hässlichen Sturz – siehe Bild). Aber heeeeeeeeeeee! Kein Spass ohne Risiko.
Schön ist auch, dass sich so was wie eine Gruppe herauskristallisiert. Eine Gruppe von Leuten in der Firma, die ich mag, die ich gerne als Tischnachbarn habe und wo ich mich freue, wenn ich sie auf der Piste antreffe. Mit denen ich lachen kann und Schnaps trinken und die mir grinsend erzählen, dass sie gerade beim Sex erwischt worden sind. Es tut gut bei der Arbeit etwas Verschworenheit zu haben und somit auch Glück.

Ich lese gerade ein sehr, sehr, sehr tolles Buch: „Julietta“ von Louise De Vilmorin. Natürlich ist das Buch im Dörlemann Verlag erschienen. Ein Verlag, dem man vertrauen kann. Bücher, die dort erschienen sind, kann man blind kaufen und sie sind immer gut. Wahrlich nicht selbstverständlich.

Die 4 ist grasgrün

Dieses Wochenende hat es *zack* gemacht und ich war anders. Lustig ist, dass sich das *zack* auch gleich im Äusseren spiegelt. Ich wurde dieses Wochenende doch wirklich nicht mehr erkannt. Unglaublich. Zuerst von Samuel, der mir direkt ins Gesicht geblickt hat und mich erst nach langem Faxen machen von meiner Seite erkannt hat. Und dann hat mich Mr. Fox auch nicht erkannt, was beängstigend ist, da er mich zuletzt am Freitag gesehen hat und auch sonst sehr oft sieht. Er hat einfach durch mich durchgeblickt und danach gesagt: „Wenn du nicht gewunken hättest, ich hätte dich nicht erkannt.“
Ein gutes Gefühl, nicht mehr erkannt zu werden. Ich fühle mich sicher darin.

Gestern waren Izzie und ich bei unserer Grossmutter und haben ihr geholfen Bücher zu sortieren. Ich liebe es, mich durch alte Bücher zu wühlen. Ich lese jetzt auf Empfehlung des Juristen hin: „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ von Dostojewskij. Am Wochenende hab ich jemanden kennengelernt, der Zahlen als Farben sieht. Er sagt, ich hätte ne ausgeglichene Telefonnummer. Kein schlechter Trick!
„Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ (Albert Einstein)