Ich werde winken

Gestern schenkte mir Zeko eine Büchse mit Zitaten drin – für ein ganzes Jahr, jeden Tag eines. Gestern förderte die Büchse folgendes Zitat für mich zu Tage: „Irgendwann erfindet jeder Mensch eine Geschichte die er sein Leben nennt.“ (Mark Twain) Ich fand das sehr passend und zudem ein sehr schönes Zitat. So habe auch ich meine Geschichte erfunden und schmücke sie jedes Mal aufs Neue aus. Langeweile gebiert eben die farbigsten Tiere.

Heute dieses: „Abschiedsworte müssen kurz sein wie Liebeserklärungen.“ (Theodor Fontane)

In diesem Sinne: Tschüssikowski.

Tiger, Tiger

Es gibt da ein Gedicht von William Blake, das mir am Wochenende ins Ohr geflüstert wurde: „Tiger, Tiger, Feuerspracht… In welch‘ Himmeln ungeheuer brannte Deiner Augen Feuer? …“

Müsste man den Montag in einem Bild ausdrücken...

Müsste man den Montag in einem Bild ausdrücken...

Ich habe mich im Nebel auf der Rigi verloren (er stand so dicht, dass man die Hand vor Augen nicht mehr sah), trank fruchtigen Wein (als wär es Sommer und ein Feuerstreifen am Horizont), rannte mir die Seele aus dem Leib (mit Blick auf den See – als wären meine Augen und die Wasseroberfläche mit Fixkleber aneinander gemacht). Und im Ohr: „Tiger, Tiger…“ Wenn ich all die Herzen in meiner Brust zählen müsste, wär ich verloren.
Montage eignen sich einfach nicht fürs Leben. Sie sind total ungeeignet, um einigermassen klar zu denken. Der Montag und ich sind einfach keine Freunde. Der Montag ist wie zwei Katzenaugen im Dunkeln. Lauernd. Beobachtend. Und verheisst nichts Gutes.

Tiger, Tiger, Feuerspracht
in der Dschungeln dunkler Nacht:
Welches Aug‘, welch‘ ew’ge Hand
formten Deiner Schrecken Brand?

In welch‘ Himmeln ungeheuer
brannte Deiner Augen Feuer?
Wessen Flügel, wessen Hand
wagte sich an diesen Brand?

Welcher Schulter Können wand
Deines Herzens Sehnenstrang?
Wer, als Herzens Schlag begann,
furchtbar Hand und Fuß ersann?

Welche Kett‘ und Hammer fand
in welch‘ Esse den Verstand?
Welcher Amboß, welche Welt
Deine Todesschrecken hält?

Als der Sterne Speer herab
Tränen unserm Himmel gab:
Hat vollbracht er’s und bedacht,
daß er Lamm und Dich gemacht?

Tiger, Tiger, Feuerspracht
in der Dschungeln dunkler Nacht:
Welches Auge, welche Hand
wagten Deines Schreckens Brand?

(Der Tiger von William Blake)

Liebe Esmeralda

Heute Morgen traf ich die kleine Esmeralda im Zug. Esmeralda war eine meiner Schützlinge in der Kinderkrippe, wo ich mal ein Praktikum gemacht habe. Mir wurde vor Augen geführt, wie viel Zeit seit damals vergangen ist, denn Esmeralda ist jetzt ca. 14 Jahre alt. Erkannt habe ich Esmeralda nur, weil ihre Mutter bei ihr war. Ich habe nicht mit Esmeralda gesprochen – nur mit ihrer Mutter. Trotzdem schreibe ich ihr einen offenen Brief:

Liebe Esmeralda
Mit vierzehn Jahren erwachte bei mir ein Bewusstsein, das man wohl – jetzt mit Distanz betrachtet – als Übertritt ins Erwachsenenalter bezeichnen könnte. An das Jahr, als ich vierzehn Jahre alt war, kann ich mich gut erinnern. Ans Jahr vorher fast nicht. In mir erwachte ein politisches und gesellschaftliches Bewusstsein, ich schärfte meine Meinung und denke mal, dass diese damals erlangte noch immer Gültigkeit hat. Aber auch erwachte in mir die Sehnsucht, die Wünsche und Ziele, die nach wie vor Teil meiner selbst sind. Manchmal, wenn ich zurückdenke an mein gelebtes Leben, dann überkommt mich Wehmut. Nicht, weil ich Dinge bereue oder lieber anders gemacht hätte, nein. Es überkommt mich Wehmut, weil ich viele Momente und Zeiten gerne noch einmal leben würde. Jetzt, da ich etwas Erfahrung habe, weiss ich, dass ich viele Augenblicke nicht geniessen konnte, weil ich mit mir selbst unzufrieden war. Heute weiss ich, dass ich eigentlich keinen Grund hatte, mit mir nicht im Reinen zu sein. Wie schnell man ein verzerrtes Bild von sich selbst hat! Wie schnell man sich hassen lernt! Und wie lange es dauert, bis man sich einigermassen mag.

Liebe Esmeralda, lass dir gesagt sein: Trete hinaus in die Welt, frohen Mutes, sei zuversichtlich, betrachte dich mit Wohlwollen, begegne Menschen mit Vorsicht aber auch mit Offenheit. Sei neugierig! Drehe jeden Stein um. Öffne den Blick und schau ab und zu zum Himmel auf. (Den Himmel betrachten macht glücklich.) Sei gewahr: Wir liegen alle in der Gosse. Manche aber, blicken zu den Sternen auf. Hast du Wünsche, Ziele? Lass dich nicht davon abbringen. Nicht jeder wird Astronaut. (Aber vielleicht ein Schauspieler, der Astronauten spielt.)  Und vor allem: Beweg dich! Tanze. Renne. Sei ausser Atem. Denn dein Körper ist ein wichtiges Gut. Verlieb dich. Immer wieder. Lass dich nicht von den Schmerzen davon abbringen. (Und die Schmerzen – ich mach dir da nichts vor – können tödlich sein.) Küsse! Jeden Tag einmal – mindestens. (Menschen die viel küssen, leben gesund.) Spring nackt in den See und lerne. Vergrössere dein Wissen. Lies. Geh hinaus und trinke und rauche und reise im Kopf. Sei wild und ungezügelt. Sei diszipliniert was deine Ziele anbelangt. Hab Spass und sei gerecht. Sei stark – lass dir aber die Stärke nie ansehen!

Liebe Esmeralda, es gab einen Augenblick in meinem Leben, wo ich plötzlich befreit war von all meinen Ängsten und Vorurteilen gegenüber mir selbst. Er kam ziemlich spät in meinem Leben, aber er kam. Das war vor fast genau einem Jahr, im Dezember. Ich sass – früh am Morgen – in einem Hotelzimmer in einer Schweizer Stadt und blickte auf die verschneiten Bäume. Es war warm im Zimmer und die Kälte draussen, liess mich die Wärme noch deutlicher fühlen. Ich hatte mir das Frühstück aufs Zimmer kommen lassen, trank Kaffee und schminkte mich. Im Fernsehen lief die Liveübertragung von „Jeder Rappen zählt“, ein angenehm belangloses Hintergrundgeräusch. Die Nacht hatte ich mit einem Mann verbracht, den ich nicht kannte, den ich sozusagen aufgelesen hatte, der aber eine sehr angenehme Gesellschaft war. (Und den ich nie wieder sah.)  Ich hatte kaum geschlafen, erst um fünf Uhr morgens, als er mich verliess, schlief ich zwei traumlose Stunden. Ich sass also da, hing den Erinnerungen an die vergangene Nacht nach und wusste plötzlich, dass alles so, wie es ist, eigentlich ziemlich ok ist. Dass es keinen Grund für Klagen, für ein Zerwürfnis mit mir selbst oder Hass gab. Ich war und bin mit mir zufrieden. Natürlich. Es gibt viele Dinge, die ich ändern will. Die ich lernen will. Ich hab Ziele, die ich erreichen möchte. Ich möchte mehr – das ist nicht alles. Aber – und das ist der gewaltige Unterschied – es ist ok, wie ich bin. Ich bin fröhlich und stark. (Mein Vertrauenskollege würde jetzt lächeln.) Ich bin manchmal seltsam schön und sexy. Ich bin spannend und gesegnet mit Kreativität. Ich bin klug und herzlich. Und ich habe viele Fehler. Und das ist gut.

Liebe Esmeralda. Lass dich nicht unterkriegen. Die Welt liegt dir zu Füssen und tritt dich ab und zu mit selbigen. Sei gelassen. Alles wird gut.

Probiers Mal mit Heiterkeit

In Hamburg ist es kälter als in Zürich. Die Sonne aber scheint und ich wurde herzlich empfangen. Nun sitze ich alleine in Hases Wohnung, lese „Macht und Rebel“ von Matias Faldbakken, trinke Kaffee und habe ein paar Stunden Zeit, bis zum nächsten Freundestreffen. Manchmal, wenn man sich aus seinem alltäglichen Leben rausnimmt und dann jäh alleine ist, stürzen alle ungedachten, brodelnden Gedanken, die man im alltäglichen Leben immer schön säuberlich zur Seite schiebt, über einen herein. Das ist gut und gewollt. Doch manchmal auch ganz schön hart. Einatmen, ausatmen, in sich hineinhorchen, das Geräusch der Straße draußen nicht ausblenden, aufmerksam die Gefühle entgegennehmen, alles einfach mal hinnehmen, keine Ausweichbewegung machen. Den Blick durch die Fensterscheibe auf den Himmel gerichtet, den Schmerz zulassen. Wer bin ich geworden? Wer drohe ich zu sein? Vielleicht bekomme ich darauf eine Antwort, wenn ich durch diesen ganzen Gefühlsnebel gegangen bin.

„Erfahrung ist ein brutaler Lehrmeister. Aber man lernt. Mein Gott, wie man lernt.“
(C.S. Lewis)

Letzte Nacht hat mich eine tiefe und ultimative Müdigkeit übermannt, ich schlief traumlos auf Hases Sofa und erwachte ratlos. Ich dachte an die Stunden gestern im Zug und an den langen Brief, den ich während der Reise an einen imaginären Freund schrieb. Er beginnt so: „Lieber Freund, bitte verzeih mir die Klischiertheit des folgenden Satzes.“ Was mich zum Ausspruch von Max Frisch bringt: „Kann man schreiben, ohne eine Rolle zu spielen?“
Kann man sowieso irgendwas tun, ohne eine Rolle zu spielen?

Während ich wie ein verlorenes Kind durch das kniehohe Gedankenwasser am in der Dämmerung liegenden Strand wate, versuche ich mich an Mascha Kaléko zu halten: „Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.“

Jahrtausend Universen lang

Gestern hab ich mal was „Normales“ gemacht. Es wurde Zeit endlich mal etwas zu tun, das ganz normale Leute so tun an einem Montagabend. Ich ging also ins Kino. (Meine Arbeitskollegen bestätigten mir, dass es sich bei einem Kinobesuch um eine normale Freizeitaktivität handelt. Ausser man hat Kinder, dann geht man auch nicht mehr ins Kino, sagte man mir.) Wir schauten den Film „Der Verdingbub„. Der Film hat mir gut gefallen. Obwohl ich danach schon ziemlich traurig war. Damit die Traurigkeit einigermassen verflog, schauten wir zu Hause auch gleich noch eine DVD. Nämlich „Poem„. Als ich diesen Film damals im Kino sah, verschlug er mir die Sprache. Ein Wahnsinns Film. Eigentlich sind es ja kleine Kurzfilme, die bildnerisch Gedichte untermalen.

Heute Morgen dann im Stadtbus Winterthur geschah folgendes: Ich wollte zuvorderst neben dem Fahrer in den Bus einsteigen. Die Tür ging zu, rammte meine Schultern und klemmte mich ein. Vor Schreck habe ich zum Busfahrer „Oh, Entschuldigung!“ gesagt. Der Busfahrer wandte seinen Kopf in Zeitlupentempo träge in meine Richtung, sah mit milchigen Augen durch mich hindurch, drückte in aller Ruhe den „Türe auf!“-Knopf und wandte sich wieder nach vorne, ohne ein Wort, ohne mit den Wimpern zu zucken.
Da ich nicht Auto fahre, habe ich bis jetzt alle meine Reisen – und das waren nicht wenige – mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bestritten. Und egal in welchen öffentlichen Verkehrsmitteln der Welt, ob in Zürich, Berlin, London, Barcelona, Zagreb, in der Karibik, in Montreal, ja sogar in den halsbrecherischen Marshutkas in der Ukraine, hab ich niemals so unhöfliche, missmutige und unpünktliche Fahrer erlebt wie in Winterthur. Ich fahre nun seit bald fünf Jahren jeden Tag Bus hier. Und es ist Horror. Manchmal denke ich, dass die irgendwie ein Team-Problem haben. Irgendwas ist da faul. Das Management gibt immer mal wieder verzweifelt Neuerungen raus (im Moment: „In Stosszeiten fahren die Busse im 5-Minuten-Takt!“), doch die dringen irgendwie nie ganz zur Basis. Sie geben sich Mühe, ja. Aber irgendwie ist da der Wurm drin. Vielleicht sollten die alle Mal miteinander in den Wald gehen und Bäume umarmen. Würde helfen.

Ich sass also dann mit schmerzender Schulter verschreckt im Bus und erinnerte mich an ein Gedicht aus eben diesem Film (Poem). Dieses Gedicht hätte ich dem Busfahrer am liebsten ins Gesicht geschrien. Es geht so:

Alles

Könnten doch alle wie Nomaden wandern

Könnten doch alle wie Nomaden wandern

Weite im Kopf
Im Herzen Welten
Die Füsse auf der Erde
Will ich in die Wolken

Mein Unglück
unbeständig wie das Glück

Werfen möchte ich mich in diesen Wandel
Tanzen und reiten im Augenblick

Könnten doch Alle, alleallealle
Glücklich sein!
In allen Welten, zu allen Zeiten
Jahrtausend Universen lang

Könnten doch Alle
wie Nomaden wandern,
wandernwandern
immer weiterziehen

Vogel werden
Himmel sein
Schwimmend ein Meer
frei und offen für Jeden

(Antonia Keinz)

Hasenherz in HH

Hasenherz wird nächstes Wochenende nach Hamburg fahren. Hasenherz freut sich sehr darauf. Hasenherz wird dann alte Freunde treffen. Hasenherz hat ihrem Vertrauenskollegen damit gedroht im Schanzenviertel Finnmusic zu hören. (Was natürlich ein Scherz war. Aber ein sehr lustiger. Ihr hättet das Entsetzen in seinem Gesicht sehen sollen. Und es ging nicht um die Musik.) Hasenherz wird während der Bahnfahrt ein Lied immer und immer wieder hören. Das hat Tradition. Hasenherz wird alte Liebesbriefe in die Alster werfen (auch das hat Tradition). Hamburg hat nämlich eine heilende Wirkung auf Hasenherz. Würde Hasenherz in Deutschland leben, dann hätte sie nix gegen Hamburg. Hasenherz wird sich darüber amüsieren, dass einige Hamburger ihren Dialekt für Estnisch (oder eine andere, sehr fremde Sprache) halten werden. Hasenherz wird in Hamburg Zeit haben, um nachzudenken. Hasenherz ist überzeugt, dass Hamburg sie vom Zombiestatus befreien wird. Hasenherz wird nächstes Wochenende nach Hamburg fahren. Hasenherz freut sich sehr darauf.

„Hier kann man chillen, machen was man will. Und da bei euch im Süden von der Elbe, da ist das Leben nicht dasselbe. Denn da im Süden von der Elbe, da sind die Leute nicht dasselbe. Ich sag im Süden von der Elbe, da sind die Menschen nicht dasselbe. Denn da im Süden von der Elbe, sind die Gedanken nicht dieselben.“ (Absolute Beginner – City Blues)

Die Geeks und ich

I love nerds

Im Moment schaue ich gerade – in allen Zwischenräumen, die sich mir bieten – die Fernsehserie „The Big Bang Theory„. Ich sitze also kichernd vor dem Fernseher und habe grossen Spass. Habe mich natürlich nach spätestens zwei Folgen unsterblich in Sheldon verliebt.
Aber auch im realen Leben stehe ich auf Geeks.

(–> Kleiner Einschub: „Das englische Wort „geek“ (vom mittelniederdeutschen Wort „geck“) bezeichnete in den Vereinigten Staaten im 19. und frühen 20. Jahrhundert Menschen, die im Rahmen von Sideshows auf Jahrmärkten und in Zirkussen lebendigen Tieren den Kopf abbissen. „Geek“ stand in diesem Zusammenhang für eine durch absonderliche Taten auffällige Person (vgl. Freak).“)

Mein Glück ist, dass ich mit lauter Geeks arbeite. Jeden Tag fühle ich mich also ein Bisschen wie Penny (ein durchschnittlich intelligentes Blondchen) und versuche meinen Techies im Alltag zu folgen. (Was nicht immer gelingt, das kannst du mir glauben.) Ich mag meine fantastischen Arbeitskollegen sehr. Sie sind direkt, aufrichtig, ehrlich, schnörkellos, blitzschnell, geistig wahnsinnig beweglich und haben grandiosen Humor. Oft, wenn ich traurig bin oder niedergeschlagen oder einfach nur wahnsinnig müde, brauche ich nur in unsere Kaffee-Ecke zu stehen und mit dem Arbeitskollegen, der dann gerade auch in der Kaffee-Ecke steht, zu scherzen, schäkern und es braucht keine fünf Minuten, um meine Laune empfindlich zu heben. Meine Geeks sind oft Lebensretter. Ich liebe es, mit ihnen zu reden, von ihnen Dinge erklärt bekommen. Ich liebe es, von ihnen zu lernen und manchmal auch mit ihnen heftige Diskussionen zu führen. Intellektuelles Ping-Pong spielen. Und das jeden Tag. Was kann man sich schöneres vorstellen? Und was das schönste ist: Meine Geeks gehen so unglaublich herzlich und fast schon zärtlich mit mir um – ich habe keine Ahnung, wie ich das verdient habe.

Lucky me!

Mein Leben als Zombie

So in etwa seh ich aus

So in etwa seh ich aus

Wenn man sich nicht ganz wohl fühlt in seiner Haut und weiss, dass irgendwie gerade ganz übel was schief läuft, man aber keinen blassen Schimmer hat, was genau, ständig irgendwie nervös und gleichzeitig todmüde ist, einem beim Gedanken an Sachen, die man dringend erledigen müsste kotzübel wird und man am liebsten in ein dunkles, kühles Loch liegen und die Augen gaaaaaaaaaaaaanz lange nicht mehr öffnen möchte, dann weiss man mit Sicherheit, man lebt sein Leben gerade als Zombie.

Das Leben als Zombie manifestiert sich vor allem darin, dass man nichts fühlt. Man fühlt überhaupt rein gar nichts. Man schläft kaum, rennt von Termin zu Termin, funktioniert wie eine perfekt getimte Maschine und in jedem unbeobachteten Moment stellt das Hirn subito auf Standby und man starrt geistesabwesend arme Mitmenschen an.

Mein Leben als Zombie ist eine Qual. Gerne möchte ich hinstehen und sagen: Ich kann nicht mehr.
Das geht aber leider nicht. Das einzige was bleibt, ist, langsam aber sicher darauf hinarbeiten, dass die Wangen wieder rot werden und die Freude zurückkehrt. Schritt für Schritt den Raum zurückzugewinnen.

„Don’t you know what’s goin‘ on out there? This is no Sunday School picnic!“
(Ben aus „Night of the Living Dead“)

Die Nacht zum Tag

„Alles hat einen Ausdruck.“ Dieses Zitat schwirrt mir heute durch den Kopf, keine Ahnung von wem es stammt. Dieser Herbst hat für mich ein ganz eigenes Gesicht, diese Tage sowieso. Es mag ja manchmal verwirrend sein. Alles in allem aber ist es vor allem großartig. Seit dem letzten Herbst habe ich eine Weltreise gemacht, ganz abseits von Geografie. Müsste man sie aber in Geografie ausdrücken, wär das in etwa so: Zuerst fuhr ich weit übers Meer auf eine abgelegene Insel, wo die Sonne schien und das Meer seltsam ausdruckslos dalag. Dann begab ich mich in eine südamerikanische Millionencity, die fremd und eigenartig roch – Düfte so anders und einzigartig! Dann versteckte ich mich einen langen Winter lang auf einer Alp bei einem mürrischen Bergbauern, der unentwegt Milch rührte. Mit dem Licht reiste ich dann in den tiefen Osten Europas, wo ich mit Schaustellern meine Zeit am Trapez verbrachte. Eines Tages dann stand ich vor dem Grossmünster in Zürich und alles mutete künstlich, ja kulissenhaft an. Auf einer Brücke in Bern wurde mir klar, dass eine Reise nie einfach nur eine Reise ist. Alles hat einen Ausdruck.

Jetzt, da ich immer kurz überlegen muss, welchen Wochentag wir haben und die Nacht zum Tag mache, schüttle ich die Angst vor Kontrollverlust ab und habe Spaß. Gerade sitze ich im Zug nach Thun (das zweite Mal in 24 Stunden) und weiss, dass ich diese Nacht – so wie letzte Nacht – nicht mehr als 4 Stunden schlafen werde. Und weißt du was? Es ist mir egal. Irgendwann am Tag morgen (so wie heute auch) werde ich ein, zwei Stunden schlafen können. Wie hat Madonna mal gesagt?: „Man kann Liebe, Job, Hobby, Familie und Erfolg gleichzeitig haben. Was man dann aber sicher nicht hat, ist genügend Schlaf.“