What you got to live for

(Soundtrack zu diesem Text, bitte beim Lesen hören: Charlie Cunningham: Minimum)

Scottish Museum of Modern Art

Scottish Museum of Modern Art

Es ist immer wieder faszinierend, wie schnell man sich so unendlich weit weg bewegen kann von der gerade noch gelebten Realität. Wenn du den Ort wechselst, die Welt wechselst, die Menschen wechselst und du dich anfangs hart einfinden musst, um dich zurechtzufinden, dann vergisst du alles, was war. Du nimmst die neue Welt an wie eine neue Haut. Du bist plötzlich niemand mehr. Und wirst dann nach und nach zu einem neuen Menschen. Das ist brutal und fühlt sich an wie blanke Klingen auf weicher Haut. Wenn du es dann getan hast und dich plötzlich wohl fühlst, plötzlich daheim bist, dann denkst du das erste mal zurück an das, was gerade noch war und es tut weh. Du weisst, dass du in ein paar Tagen die Haut wieder wechseln wirst, dass du wieder zurückkehren wirst in etwas, das einmal du warst, du kannst es dir aber beim besten Willen nicht vorstellen. Wer war ich? Was habe ich getan und warum zur Hölle? Es gibt ein paar wenige Verbindungspunkte, die bleiben. Freunde. Familie. An denen hälst du dich fest, denn sie sind wie Brücken zwischen zwei Daseinsberechtigungen und du weisst noch nicht, welche Person du genau sein willst.

Gut ist, dass du genau fühlst, welches die Kerben sind, die tief in dir verankert sind. Was dich wirklich ausmacht. Gerade, wenn du zum Ort auch noch die Sprache wechselst, wird alles um so verschwommener, nebliger. Plötzlich denkst du wieder in der anderen Sprache, sprichst zu dir selbst in der andren Sprache und es klingt einfach anders. Deine innere Stimme hat sich erneut geändert.

Das faszinierendste daran ist, wie schnell das alles passiert. Es dauert keine Woche. Der Mensch ist so furchtbar anpassungsfähig, man könnte darüber glatt die Nerven verlieren. Gerne möchte ich darüber berichten, was ich gerade erlebe, ich kann jedoch nicht. Ich habe meine Sprache verloren. Ich weiss, dass ich sie zurückgewinnen werde, dass es die eine oder die andere sein wird, jetzt aber gerade bin ich keiner mächtig. Irgendwann werde ich fähig sein, darüber zu berichten.

Es gibt nur eines, was ich fühle, was mich im Moment gerade – jetzt da ich eine komplett andere Person bin – furchtbar umtreibt: Das was ich gerade verliere, wird es jemals wiederkommen? Oder ist es komplett verschwunden und somit unwichtig? Es ist, als ob mein ganzer Körper mit Heftpflastern bedeckt wäre und jemand nach und nach jedes einzelne Pflaster abziehen würde. Ich schreie vor Schmerz. Aber meine Haut atmet. Ich sage mir immer wieder: Lass einfach los, es ist in Ordnung. Lass es einfach ziehen, denn wenn es wichtig ist, wird es wiederkommen. Es wird wie ein Geschenk in deinen Schoss fallen, wenn es gut ist, steht es irgendwann wieder vor deiner Tür. Es wird dich einladen, es wird zu einem Teil von dir werden, es wird etwas in dir zurücklassen, wie ein Jahresring bei Bäumen. Wenn es aber nicht wichtig ist und somit bereits vergangen, dann wirst du es auch nicht brauchen. Und während du dich mitten in einer Diskussion befindest, mitten in einem faszinierend interessanten Gespräch, stirbt eine Zelle in dir ab.

Ich möchte nicht nur Anfänge leben, doch wenn ich dazu gezwungen werde, dann bin ich so verdammt gut darin. Ich weine darüber. Alles hat seine Zeit, alles hat seine Zeit.

Sei nicht traurig, freu dich, dass es dir gehört hat, dass es dein eigen war und freu dich jetzt aber auch, dass es dich verlassen hat. Auch Erleichterung hat Gewicht.

Eduardo Paolozzi

Eduardo Paolozzi

Wie eine gekochte Kartoffel

Meine erste Woche in Schottland fühlt sich an wie ein halbes Jahr. Getrunken hab ich viel, geschlafen wenig. Die Menschen, die mir begegneten, waren reizend, sie haben mir viel erklärt über Schottland und die Beziehung zu England. Über Sagen und Mythen, aber auch davon, wie es ist, hier zu leben, zu arbeiten. Wie es ist, hier ein Auskommen zu finden als Künstler oder Musiker. Und wie immer, wenn man in einem fremden Land unterwegs ist, lernt man auch Menschen kennen, die ebenfalls fremd sind. Man erkennt sich, wird voneinander angezogen. So habe ich auch erfahren, wie es ist, in Frankreich Kunst zu studieren (nicht so einfach) oder aber wie man Ski fährt in Utah (sehr einfach).

Heute also ist der erste Tag, an dem ich geschlafen habe, nichts tue, nachdenke, Worte auf farbige Zettel schreibe und alles wieder verwerfe. Denn mein Hirn fühlt sich an wie eine gekochte Kartoffel. Mehlig, müde und träge. Das ist immer so, wenn man viel erlebt und dann plötzlich eine Pause hat, fällt, die Müdigkeit fühlt, wie sie über einen hereinbricht, wie Wellen am Strand. Ich weiss das und versuche es zu nehmen. Trotzdem ist das Gefühl strapaziös. Heute Abend findet zum Glück ein Konzert statt, welches mich zwingen wird das Haus zu verlassen, die Haare zu einem Pony zu binden, so fest, dass der Wind dagegen nicht ankommt und mit jedem Schritt wird es leichter werden, behände dem Montag entgegen.

Chilly dawn

(…) the first step towards the fulfillment of an ancient dream, the beginning of the long lesson we would teach ourselves that however complicated we were, however faulty and difficult to describe in even our simplest actions and modes of being, we could be imitated and bettered. And I was there as a young man, an early and eager adopter in that chilly dawn. (…)
Ian McEwan: Machines like me

Ich lese gerade Machines like me von Ian McEwan. Was für ne Sprache! Ich liebe es. Während in Schottland die Sonne erst spät abends untergeht und früh am morgen wieder hoch am Himmel steht, versuche ich mich in der neuen Welt zurechtzufinden. Es ist, als hätte man mich in eine Waschmaschine gesteckt und den Schleudergang eingeschaltet. Die Zeit fliegt und mein Kopf versucht zu folgen. Und während mein Kopf zu folgen versucht, sind die Füsse bereits weiter, ein neues Gesicht, eine neue Geschichte, vorbei, vorüber, nie wieder. Wenn man darüber nachdenken würde, man könnte ausser Atem geraten.

Flughäfen

Ich mag fliegen nicht, jedoch mag ich Flughäfen. Man begegnet Menschen, die sich ausserhalb ihrer Komfortzone befinden, sich nervös, freudig, genervt, aufgeregt bewegen und plötzlich zu reden beginnen. Man erhält kurze Einblicke in Leben, in Wahrheiten. Und weil man sich hier bloss flüchtig begegnet, ein paar Stunden später ist man bereits auf der ganzen Welt vestreut, teilt man vorbehaltloser seine Geschichten. Trifft man jemanden, den man kennt, auf einem Flughafen, ist die Begrüssung freudiger, offener. Ungläubig schreit man „Was? Du hier!“ quer durch die Halle und man fühlt sich dabei fast so, als hätte man eine fremde Insel entdeckt fern der Heimat.

Flughäfen sind das Sinnbild für Freiheit, Sicherheit und Möglichkeiten.

„Wohin fliegst du heute? Woher kommst du? Sind dort die Hügel grün?“ möchte man fragen. Man lächelt leise und versucht nach vorne zu denken und die Erinnerung hinter sich zu lassen.

Der Kaffee aus dem Becher ist zu heiss gebrüht, schmeckt seltsam fremd, hinter mir spricht jemand in einer mir unbekannten Sprache mit seinem Kind. Der Himmel ist wolkenverhangen, man hofft auf das Ausbleiben des Gewitters.

Ich denke mich an den Ort, den ich nicht kenne, der bald meine Wirklichkeit sein wird. Liegen dort die Steine ebenfalls aufeinander? Haben dort die Leute auch Grübchen, wenn sie lachen? Riecht es nach Moos und Torf?

Scheppernd wird darauf hingewiesen, man solle sein Gepäck nicht unbeaufsichtigt lassen.

Ein Mann eilt an mir vorbei. Er scheint sich beeilen zu müssen, um an einen Ort zu kommen, der vielleicht schöner ist oder blauer. Wird er bald das Meer riechen? Ich weiss es nicht.

Surreal, but nice

Was für ein Wochenende! Wir waren nahe der Berge in einem kleinen, verwunschenen Haus. Der Boden knarzte beim Gehen und draussen fiel Schnee. Wir haben diskutiert, manchmal gestritten, verschlungene Themen behandelt, gelacht, geblödelt, haben Stille ausgehalten, sind eingeschlafen, aufgewacht und haben weiter geredet, uns Lektüre empfohlen, uns gegenseitig bestärkt und sind in uns versunken.

Amici veri sono come meloni / di cento ne trovi due buoni

Amici veri sono come meloni / di cento ne trovi due buoni

Am Bahnhof haben wir uns dann getrennt, der Abschied war seltsam schwer, als hätten wir miteinander einen Monat in der Wildnis verbracht. Was für eine lustige, aussergewöhnliche Truppe, was für erhellende Gesprächspartner, was für besondere Menschen!

Zu Hause hab ich dann – geistig müde aber zufrieden – einen Film gesucht, der leicht ist und die gute Laune anhalten lässt. Ich habe also Notting Hill geschaut. Ich war der festen Überzeugung, dass ich den Film bereits schon einige Male gesehen habe, musste jedoch feststellen, dass dem nicht so ist. Noch überraschender war, dass ich gerade vor Kurzem mit zwei Zitaten aus dem Film konfrontiert war, es jedoch nicht bemerkt hatte, da ich ja – wie gesagt – den Film noch nie gesehen hatte. Diese zwei:

  • Surreal, but nice.
  • After all, I’m just a girl, standing in front of a boy, asking him to love her.

Alles in allem also ein sehr erhellendes und auch ein ungewöhnliches Wochenende. Oder soll ich sagen: Surreal, but nice?

Tulpen aus Amsterdam

Pfingstrosen

Es gibt so Tage, an denen die schönen Momente so unbedarft erscheinen, kleine alltägliche Glückskekse, wie vielleicht die ersten schweren Tropfen eines Sommergewitters. Meine Tage sind gerade so. Gespickt mit Farbtupfen, wie ein Tulpenmarkt in Amsterdam. Man kehrt um die Ecke und steht vor einem Meer aus Blumen. Man weiss, man hat einen Termin, wo man hin muss, schnell, man ist bereits zu spät, man ist etwas ausser Atem geraten und dann das. Man kann nicht anders, als stehenbleiben und schauen.

Morgen wird es so richtig kalt. Ich fahre an einen Ort nahe der Berge und denke darüber nach meine Winterstiefel und die Daunenjacke einzupacken. Ich freue mich auf die langen Nachmittage auf der Terrasse. Auf das Licht, das sich über die Zeit verändert. An den Schnee, der fallen wird. Wenn der Abend hereinbricht, werden wir die Wolldecke enger um unsere Knie schlingen, die kalten Hände ineinander legen und seufzend den grossen Baum betrachten, der bereits Blätter hat und dessen Blüten seltsam entrückt unter dem Schnee erglühen.

Musik!

Heute habe ich in der NZZ am Sonntag ein Interview mit Stefan Kölsch gelesen. Er ist Musiker und Neurowissenschafter. Im Interview erklärt er, warum uns Musik von Tieren unterscheidet und was Musik auszumachen vermag.

Während meiner Krankheit konnte ich keine Musik mehr hören. Also, ich konnte schon Musik hören, sie ist einfach nicht mehr zu mir durchgedrungen. Ich nahm sie als störend wahr, sie erreichte mich nicht. Als ich dann das erste Mal wieder Lust auf Musik hatte und sie mich auch emotional berührte, war das wie ein Wunder. Seit da gehe ich nirgends mehr hin ohne meine Kopfhörer. Ich kann mir gerade ein Leben ohne Musik nicht mehr vorstellen. Sie beschützt mich und unterstreicht mein Glück.

Stefan Kölsch sagt auf die Aussage des Interviewers „Menschen, die an Depression leiden, empfehlen Sie die Songs der Beach Boys.“ :
Mag sein, dass Depressiven manchmal traurige Lieder helfen, um sich in ihren Gefühlen verstanden zu fühlen. Aber spätestens nach dem dritten Song sollte man zu positiv gestimmter Musik übergehen – auch wenn man sich dafür einen Ruck geben muss. In sehr vielen Fällen hilft fröhliche Musik nämlich, die eigenes Stimmung aufzuhellen. Fröhliche Musik kann die sogenannte Hippocampus-Formation stimulieren: eine Struktur, in der bis ins hohe Alter neue Gehirnzellen gebildet werden können. Das hält das Hirn jung, flexibel und fit.

Lustigerweise habe ich in einer Phase des fiesesten Liebeskummers wirklich Beach Boys gehört. Ich habe sogar meine damalige Arbeitskollegin, welche mit mir ein Büro geteilt hat, dazu gebracht jeden Tag zu Beginn, in der Mitte und gegen Schluss des Tages den Song „Wouldn’t it be nice“ laut aufzudrehen, mitzusingen und dazu rumzuhopsen. Muss ein seltsames Bild gewesen sein, waren die Wände doch aus Glas. Aber es hat geholfen. Und wie es geholfen hat!

Du

Du. Meine Heimat. Mein Heimkommen, mein Lachen, mein Ein und Alles. Auf dir beruht alle Freude, du bist die Grundlage für mein Glück. Ohne dich hätte ich nichts geschafft. Du bist da. Du schreist nicht, du jammerst nicht, du begegnest mir ungerührt. Du lässt mich los und lässt mich heimkehren. Du setzt mir keine Grenzen, du brauchst mich nicht für dein Glück. Du bindest mich nicht. Du verfolgst mich nicht. Du wartest nicht.

Du. Du bist mein Haus, mein Alltag, mein Licht. Du stehst für Wärme und Geborgenheit. Du bist Komplize und Freund. Du bist alles, was ich denken kann. Weil es dich gibt, kann ich im Galopp durch Zeiten reiten, kann Prinzessinnen aus Türmen retten, kann durch reissende Flüsse schwimmen, kann Drachen töten, kann gegen die ganze Welt antreten. Du lässt mich gehen.

Wenn ich zerzaust, entkräftet aber mit leuchtenden Augen glücklich heimkehre, öffnest du mir die Tür und lachst.

Du.

I’ve been through the desert on a horse with no name

Setz dich. Konzentrier dich. Atme.
Nimm dir einen Stift, wähle eine Farbe, vor dir liegt leeres Papier.
Schliess die Tür, stell beide Füsse auf den Boden, drück den Rücken durch.
Lass Licht ins Zimmer, nimm einen Schluck kaltes Wasser aus einem sauberen Glas.
Atme. Schliess die Augen und horch in dich hinein. Versuch das Gefühl einzufangen, das lose Ende zu erhaschen. Was genau ist es? Lass dich tiefer sinken.
Nicht aufgeben. Hör deinem Herz zu, wie es schlägt. Denk dich noch tiefer, lass die Gedanken nicht abschweifen. Lass Bilder aufsteigen. Wie genau fühlt es sich an? Beschreib es, versuch es zu umreissen. Atme.

Es ist, als ob ich Fruchtgelée gegen eine kalte Eisentüre geworfen hätte und nun dabei zusehe, wie sich die rote gallertartige Konsistenz langsam zum Boden hin bewegt. Zäh, eine Spur hinterlassend, wabernd, tropfend, klebend und dennoch nicht haftend.

Es ist, als ob ich einen Tag lang – ich bin früh morgens bei Sonnenaufgang gestartet – einen Berg hochgelaufen bin. Ich bin ausser Atem und meiner Kraft beraubt oben auf dem Gipfel angekommen, habe der Kuppe entgegengefiebert und dann, als der Berg den Blick freigibt, sehe ich… nichts. Nebel. Oder Bäume. Oder Wolken. Aber nichts, was die Anstrengung hätte rechtfertigen können. Und es wird mir klar, dass ich den Weg mehr hätte geniessen sollen, dass ich mehr hätte innehalten sollen, denn auf dem Weg gab es schöne Punkte, die ich aber zu hastig hinter mir gelassen habe, weil ich den Gipfel erreichen wollte. Ich frage mich jetzt, warum. Denn niemand hat mir eine Aussicht versprochen.

Es ist, als ob man ins Leere tritt. Als ob es nichts zu hoffen, zu freuen, nichts zu sehnen gäbe. Es ist, als hätte ich auf etwas gewartet, das nicht existiert. Man kann beim besten Willen nicht sagen, worauf genau.

Es ist, als ob man das lose Ende des Fadens einfach nicht zu fassen kriegt. Als würde es einem entgleiten. Durch die Finger rinnen. Abfliessen, in Luft auflösen. Und ich frage mich, ob es das alles wert ist. Ob ich selbst überhaupt einen Wert habe. Ob da nicht einfach Leere ist. Ob man ein Echo hören, wenn man hineinrufen würde. Ob es hohl ist, ob es überhaupt jemals etwas enthalten hat.

Es ist, als ob man Feuerwerk oder Inferno erwartet hätte, da aber nur Stille ist. Sprachlosigkeit und Stille.
Man fragt sich, ob man stark ist. Ob man stark genug ist. Ob man gegen das Nichts gefeit ist. Im All hört dich niemand schreien.

Setz dich. Konzentrier dich. Atme. Fokus würde helfen.

Die Nacht in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.

Es war viel Betrieb am Bahnhof. Sie fühlte sich wohl an solchen Orten. Sie konnte in der Menge untergehen, fühlte sich so weniger ausgesetzt, weniger beobachtet. Sie ging nun schon seit einer Stunde ziellos umher, wartete ab und zu ein paar Minuten auf einem Bahnsteig, ging dann weiter, immer in Bewegung, nahm nie den selben Weg. Der Bahnhof war recht gross und es gab viele Möglichkeiten sich unauffällig zu bewegen. Niemand würde Verdacht schöpfen, sie war bloss eine Reisende, die ihren Zug erwischen musste, die etwas einkaufen wollte, die jemanden abholt, die auf jemanden wartet. Sie trug ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, hatte eine Sonnenbrille auf und ihr langer, grauer Mantel reichte bis zu ihren Knöcheln. Bloss ein Stadtmädchen, das ein Ziel hatte, das beschäftigt an einem Samstagvormittag seinen Besorgungen nachging.

Noch eine Stunde. Noch eine Stunde in der sie sich etwas entspannen konnte, ein Hauch von Normalität fühlte. Gerade war sie auf dem Weg zum Kiosk in der hintersten Ecke des Bahnhofs, um Zigaretten zu kaufen. Nicht, dass sie rauchte, aber ein Stadtmädchen könnte ja durchaus rauchen, es fühlte sich plausibel an. Sie hatte vor, danach vor den Bahnhof zu den Rauchern zu stehen. Plötzlich tauchte vor ihr aus dem Gewimmel ein Hund auf, ein Terrier, der seine Leine hinter sich herzog und im Zickzack den Beinen der Menschen auswich. Ohne nachzudenken, hob sie den Fuss und stand auf die Leine. Der Hund jaulte, wie erstarrt blieb sie stehen. Dann sah sie den Mann, der auf sie zu rannte, ganz ausser sich. Sie versuchte eine Entscheidung zu treffen. Einfach weitergehen? Das würde aber jetzt wohl mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ein paar Menschen waren stehengeblieben. Sie blieb also wie angewurzelt auf der Leine stehen, der Mann hatte sie nun erreicht, rief Dankesworte und den Namen des Hundes. Er beugte sich keuchend zum Hund, nahm die Leine, zog daran.
„Sie können jetzt loslassen, vielen Dank!“
Sie bewegte sich etwas zu hektisch, fast sprang sie weg von der Leine. Der Mann sah zu ihr auf mit Verwunderung im Ausdruck. Sie sah, dass er schöne Augen hatte, helle Augen.
Sie murmelte: „Keine Ursache, schönen Tag“ und wollte weitergehen, so als wäre sie etwas knapp in der Zeit, der Mann jedoch rief ihr hinterher, machte einen Satz und berührte sie am Arm. Sie zuckte zusammen.
„Vielen Dank! Das war sehr nett von Ihnen, sehr aufmerksam, Crystal ist eben noch jung, wenn man nicht aufpasst… Er reisst sich immer los… Vielen Dank, dass sie ihn aufgehalten haben!“
Er lachte und sah sie an. Sie versuchte so gelassen wie möglich zu wirken und lachte ebenfalls. Etwas zu künstlich, sie konnte aber nicht anders.
„Kein Problem, junge Hunde, müssen noch lernen, ist doch klar. Ich muss jetzt aber leider weiter, mein Zug…“
Er sah noch immer direkt in ihr Gesicht, sie war einmal mehr heilfroh, dass sie ihre Sonnenbrille aufgesetzt hatte. Crystal zerrte an der Leine und kläffte. Der Mann löste seinen Blick und sah zum Hund.
Sie drehte sich um, hob kurz die Hand, rief ein paar Abschiedsworte über ihre Schulter und ging dann in der Menge unter.