Was ich nicht mag:

Eine Liste „Was ich mag“ hab ich ja mal erstellt. Und die stimmt auch heute noch ziemlich. (Vielleicht würden heute noch zwei zusätzliche Dinge dazukommen. Etwa so: 1. Filme machen, 2. Wassermelone zum Frühstück essen und sich dabei das Shirt versauen.) Nun also – mit Spannung erwartet – die Liste „Was ich nicht mag“:

  • Solche Schlagzeilen in unterbelichteten Gratiszeitungen: „Schweizer jubeln auf Albanisch. Dürfen die das?“ (Ist übrigens die Schlagzeile von heute. Ich könnt gleich kotzen.)
  • Sowieso jede Form von Polemik, Agitation und Hetze.
  • Innereien.
  • Mutlosigkeit.
  • Kalter Nieselregen.
  • Stupide Arbeiten.
  • Humorlosigkeit, Unhöflichkeit und Fahrigkeit eines Gegenübers.
  • An stark befahrenen Strassen langgehen müssen.
  • Sowieso Lärm.
  • Dinge und Menschen aufgrund von Äusserlichkeiten ver- und beurteilen. Und damit meine ich jede Form von Äusserlichkeit.
  • Falsch verwendete Bilder oder Redewendungen. So Sachen wie: „Es regnet wie am Spiess.“ oder „Das schlägt dem Fass die Krone aus.“
  • (Vor-)Verurteilt zu werden.
  • Fehlende Offenheit in Liebesdingen. Ich frage mich: Warum haben die Menschen immer, immer, immer so Angst ihr Gesicht zu verlieren? Es bricht einem doch keinen Zacken aus der Krone, wenn man zugibt, dass man jemanden mag. Und wenn der andere einem dann halt nicht so mag: Egal. Das Leben geht weiter. Ist doch nur halb so schlimm. Passiert doch dauernd. Herrgottsakra.
  • Mein Weckklingelton.
  • Spinnen.
  • Keine Milch im Kühlschrank haben.
  • Schlüssel, Schirme, Ringe, etc. verlieren.
  • Fehlende Distanz zu sich selbst.
  • Liebeskranke, die überraschend vor meiner Haustüre stehen.
  • Schlecht gelaunt zu sein.
  • Wenn gute Bücher enden.
  • Mein Spiegelbild nicht zu mögen.
  • Erkältungen.
  • Meine Ungeduld.
  • Die Angst vor der Angst.
  • Die Zahnbürste und Zahnpastatube im gleichen Becher.
  • Übertriebene Antiraucher.
  • Zu viel gegessen zu haben.
  • Orchideen (die find ich irgendwie gruselig).
  • Langgezogene Gesichter.
  • Dinge, die nicht mit Witz gebrochen werden.
  • Schlangen (die im Supermarkt).
  • Belästigt werden. Sowieso Menschen, die zu Nahe kommen.
  • Langeweile. (Und ich langweile mich schnell. Zum Glück kann ich mich ziemlich gut selbst unterhalten.)
  • Zappeligkeit, in mich reinfallen, Zombiemodus.
  • Zuckersäcklisprüche.
  • Seeeeeehr betrunken sein.
  • Schlechte Musik.
  • Telefonieren.
  • Sich auf Kosten anderer zu heben. (Sowieso: Sich durch Negation zu definieren.)
  • Mein unordentliches Zimmer.
  • Die Steuererklärung machen.
  • Schweissgeruch. (Vor allem dieser alte Schweiss. Wo man glaubt, dass jemand seit Wochen nicht mehr geduscht hat.)
  • Die Bücher von Paulo Coelho.
  • Lange keinen Sport treiben.
  • Alle Süssspeisen, die nicht zu 80% aus Schokolade bestehen.
  • Dass ich die Kommaregeln nicht beherrsche.
  • Spitäler.
  • Füsse.
  • Gin.
  • Mich nicht fühlen.
  • Mich fühlen.

Sozusagen grundlos vergnügt

Letzthin habe ich zu jemandem gesagt (und da ich viel zu vielen gesagt habe, mag ich mich nicht recht erinnern, welche Situation es war und wen ich gegenüber hatte – ich mag mich aber an die Bewegung erinnern, an die Reaktion des Gegenübers, an den Himmel, an mein Gefühl): „Weisst du, ich habe eine Begabung fürs Glücklichsein.“

Das ist schon so, keine Ahnung woher das kommt, die Dankbarkeit darüber ist aber stark: Ich bin oft, jeden Tag mehrmals sozusagen grundlos vergnügt. Ich freue mich. So richtig. So, dass es mir die Tränen in die Augen treibt und ich breit grinsend um die Häuser zieh. Habe mich schon gefragt, ob das wohl ein Defekt ist oder eine Krankheit. Weil: Es ist schon ziemlich seltsam. Es gibt immer Dinge, die Scheisse laufen. Auch ich habe Sorgen und morgens aufzustehen (vor allem, wenn gerade Montag ist), fällt mir schwer. Dann aber – von einer Sekunde auf die andere – blinzle ich in den neuen Tag, lache in mich hinein und freue mich. Einfach so. Diese Fähigkeit zum Glück hat mir schon wahnsinnig oft den Arsch gerettet, das kannst du mir glauben. Denn wenn man so lebt wie ich, immer ein Bisschen am Abgrund, immer ein Bisschen zu schnell, dann ist es von grosser Wichtigkeit, dass man ab und zu auch mal drüberweg gehen kann. Nicht so schlimm, alles gut. Mascha Kaléko kommt mir dann jeweils in den Sinn:

Sozusagen grundlos vergnügt

Ich freu mich, dass am Himmel Wolken ziehen
Und dass es regnet, hagelt, friert und schneit.
Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit,
Wenn Heckenrosen und Holunder blühen.
Dass Amseln flöten und dass Immen summen,
Dass Mücken stechen und dass Brummer brummen.
Dass rote Luftballons ins Blaue steigen.
Dass Spatzen schwatzen. Und dass Fische schweigen.

Ich freu mich, dass der Mond am Himmel steht
Und dass die Sonne täglich neu aufgeht.
Dass Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter,
Wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
Man kann nicht alles mit dem Kopf verstehn!
Ich freue mich. Das ist des Lebens Sinn.
Ich freue mich vor allem, dass ich bin.

In mir ist alles aufgeräumt und heiter:
Die Diele blitzt, das Feuer ist geschürt.
An solchen Tagen erklettert man die Leiter,
Die von der Erde in den Himmel führt.
Da kann der Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
– Weil er sich selber liebt – den Nächsten lieben.
Ich freue mich, dass ich mich an das Schöne
Und an das Wunder niemals ganz gewöhne.
Dass alles so erstaunlich bleibt, und neu!

Ich freu mich, dass ich … Dass ich mich freu.

Abhanden

Gerade sitze ich auf einem Kranlaster im Tiergarten (ein Hexenhügel in Mels) und drehe einen Film. Es ist der vierte Drehtag. Die blaue Stunde ist bald zu Ende, der Tag neigt sich dem Ende zu. Mein Fuss schmerzt wie die Hölle, ich versuch es zu ignorieren. Jelisa sagt: dieser Ort ist wunderschön, aber unendlich laut. Sie hat Recht, man hört das stetige Rauschen der Autobahn. So müde wie jetzt, war ich schon lang nicht mehr. Diese Tage waren so sehr anstrengend, so auslaugend, so zehrend und so gut. Dieser Film wird der Hammer. Und ich werde die nächsten Tage keine Anrufe entgegen nehmen, keine SMS beantworten, keine Mail lesen – gar nichts. Ich werde lediglich arbeiten, schlafen, essen und atmen. Wenn man so zittert und am Rande lebt, wenn man versucht die Nerven gerade nicht zu verlieren – gerade noch nicht, gerade noch nicht – versteht man plötzlich viel vom Leben. Man blendet alles Unwichtige aus, redet langsam und deutlich, immer achtsam, dass man nicht ausfällig oder zickig wird, die Gefühle schneller, so schnell, dass sie verloren gehen. Clin d’oeil. Nur einen Augenblick. Vorbei. Vorüber. Und dann denkt man so, zwischen warten und rennen, „jänu“. Und dann geht man einfach weiter. Die Energie reicht dann einfach nicht mehr aus, um sich umzudrehen und zurückzublicken.

U male se scharlachrot a

Scharlachrot“ von Patent Ochsner höre ich immer mal wieder gern zwischendurch. Heute gerade auch. Ein seltsames Wochende. Mit einigen Fugenmomenten. Habe viel geredet, lange Gespräche im Regen geführt, fuhr ins Appenzell, nach Basel, hatte kalt und dann wieder warm und der Hunger hielt sich in Grenzen. Gestern Abend dann eine sehr entspannte Begegnung, die mich Lächeln gemacht hat, weil sie eine unaufgeregte Klarheit in sich trug.

Glück ist wirklich was seltsames. Habe gerade wieder eine Glücksphase. Bin unglaublich wahnsinnig glücklich. Dauernd. Und das ohne speziellen Grund. Dann tanze ich in der Küche, morgens um 6, lächle im Zug vor mich hin, könnte weinen, habe Angst, dass es vorbei geht. (Denn ich weiss, es geht vorbei und kommt wieder und geht vorbei und kommt wieder und geht vorbei… Du weisst, worauf ich hinaus will.) Es ist schon ein extrem grosser Luxus, wenn man sich sein Leben so gestalten kann, wie man möchte. Wenn man jede erdenkliche Freiheit hat, wenn sich seine Sorgen auf die Steuererklärung und unerledigte Aufgaben beschränken. Natürlich: Wenn man sich Ziele gesteckt hat, ist es oft ein Kampf, diese zu erreichen und wirklich nicht immer ganz leicht. Aber trotzdem: Pipifax.

Man sollte sich seine Tage mit Phantasie gestalten.

Getting married in København

Wie man das Meer sehen kann

Wie man das Meer sehen kann

In ein paar Tagen werde ich nach Kopenhagen reisen. Gerade wollte ich mich über ein paar Sehenswürdigkeiten informieren. Ich bin also auf die ofizielle Website von Kopenhagen. Und der erste Link, den man dort anklicken kann ist: Getting married in København. Fand ich sehr lustig. Leider hab ich grad niemanden dabei, den ich heiraten könnte. Aber wer weiss, vielleicht treffe ich ja dort einen heiratswilligen Dänen. Hehe.

Ok, Scherz beiseite. Ich freue mich sehr auf meinen Urlaub. Ich freue mich, mal einfach ein Bisschen gar nichts zu tun und mich von der kühlen Nordbrise umspielen zu lassen. Kennst du das? Du kommst in eine Stadt und weisst ganz genau, dass die Stadt und du es gut haben werdet. Mir ging es bei Berlin, Hamburg, Madrid, Venedig, Barcelona, Odessa, Stockholm, London, Zagreb, Rom, Paris, Riga, Santo Domingo und eben Kopenhagen so. Bei Oslo, Mailand, Lissabon, Brüssel, München, Marseille und Montreal verhielt es sich eher umgekehrt. Da wurde ich irgendwie nie richtig warm. Fühlte mich entweder verloren, unverstanden oder seltsam gruselig fasziniert. Es braucht nicht lange, um zu wissen, ob man mit einem Ort warm wird. Ein paar Stunden genügen.

København und ich geht also gut. Und danach, und danach, und danach…. Und danach wird hier das Licht gewechselt haben. Versprochen.

And miles to go before I sleep

Gestern war ich unvernünftig. Ich blieb lange auf, trank zu viel und fühlte die klamme Kälte nicht. Die Nacht war gut zu mir. Nach inspirierenden Begegnungen hab ich am nächsten Tag meistens Gedichtzeilen im Kopf. So wie anderen Leuten Lieder nachlaufen, laufen mir Worte nach. Heute wären es eben diese:

„… und das Schiff mit acht Segeln und fünfzig Kanonen wird entschwinden mit mir…“
(Seeräuber-Jenny aus „Die Dreigroschenoper“ von Bertold Brecht)

und

„The woods are lovely, dark, and deep.
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.“
(„Stopping by Woods on a Snowy Evening“ by Robert Frost)

und

„Könnten doch Alle, alleallealle
Glücklich sein!
In allen Welten, zu allen Zeiten
Jahrtausend Universen lang

Könnten doch Alle
wie Nomaden wandern,
wandernwandern
immer weiterziehen“
(„Alles“ von Antonia Keinz)

Ich mische das also in meinem Kopf zusammen und bete es rhythmisch vor mich hin. Und da mir Schlaf fehlt und ich glücklich bin, werden es abenteuerliche Kombinationen. Ein Beispiel? Ein Beispiel:

The woods are lovely, dark, and deep
Könnten doch Alle, alleallealle
mit acht Segeln und fünfzig Kanonen entschwinden.
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep.

Gestern sass ich in einer Bar. Sonntagabend. Gegenüber von uns sass ein Typ. Allein. Er trank ein kleines Bier. Langsam und stetig. Das Glas setzte er jeweils vorsichtig ab, als hätte er Angst, dass es in die Brüche gehen könnte. Seine grossen Hände umfassten es dabei fast ganz. Er war sehr breit und gross. Man würde ihn wohl „einen Schrank“ nennen. Sein Gesicht aber war das eines kleinen Jungen. Seine Haut bleich und eben. Seine Augen gross und unschuldig. Seine Haare verwuschelt. Alles in seinem Gesicht sagte: Ich will doch nur spielen. Er sass da, wechselte ab und zu ein Wort mit der Barkeeperin und blickte ansonsten interessiert und auch etwas ängstlich umher. Es kam mir vor, als hätte sich ein Kind in seine eigene Puppenstube gezaubert und sässe nun – zu gross und zu kräftig – ehrfürchtig da und warte darauf, dass irgendetwas geschehen möge. Hauptsache, es geschieht etwas. Hauptsache, es geschieht irgendetwas.

 

PS: „Vom Ende einer Geschichte“ von Julian Barnes ist übrigens wahnsinnig lesenswert. Kostprobe? Kostprobe:
“ … und versicherten uns gegenseitig, Grenzüberschreitung sei die oberste Pflicht der Fantasie.“
oder
„Das war so eine Angst, die uns quälte: dass es im Leben anders zugehen könnte als in der Literatur.“
oder
„Aber wenn man unter Nostalgie heftige Erinnerungen an intensive Gefühle versteht – und ein Bedauern darüber, dass solche Gefühle in unserem Leben nicht mehr vorkommen -, dann bekenne ich mich schuldig. “
etc.

Acryl für die Welt

Pinselpink, Pinselgrün - Acryl für die Welt!

Pinselpink, Pinselgrün - Acryl für die Welt!

Das Wochenende habe ich in Engelberg verbracht. Wir hatten Winterweekend mit der Firma. Wie immer war es sehr lustig, wie immer haben wir bis in alle Nacht gefeiert. Ich hab auf dem Tresen getanzt, an der Stange und hab noch andere Peinlichkeiten geboten. Aber (und das hier ist ein grosses aber) anders als immer war ich diesmal streng zu mir. Ich hab mich sozusagen an die kurze Leine genommen und nichts zugelassen. Heute hat mein Vertrauenskollege gesagt: „Du kannst das gut.“ Und ich hab gesagt: „Ja, weisst du, ich kann Abstand nehmen von meinen Gefühlen (in den meisten Fällen zumindest) und kann dann ganz ohne diese existieren. Es ist dann, als wären sie gar nicht da.“ Nicht, dass ich keine Sehnsucht gehabt hätte, natürlich nicht. Es war schliesslich Nacht, ich war weg von zu Hause und es war Alkohol im Spiel. Was ich aber doch endlich einigermassen im Griff habe, ist, dass ich die typische Form von Aggression, die ich so lange kultiviert habe, nicht mehr anwende. Diese positive Aggression, die man auch Übersprungshandlung nennen könnte. Dafür bin ich offen „normal“ aggressiv, was – ehrlich gesagt – nicht besser ist. Aber auch damit muss ich jetzt umgehen lernen, denn das ist neu für mich.

„Immer wenn wir liegen und schlafen
Lösen sich Schiffe dunkel vom Hafen.“ (Albin Zollinger)

Manchmal ist es einfach verdammt schwer die Dinge auseinander zu halten. Was gehört jetzt zu was? War das Ding hier nicht eben noch grün? Verdammt, wohin gehört jetzt das türkise Teil? Zu den Blauen? Und warum hat es nie, nie, nie ein goldgelbes Stück, wenn man es am dringensten braucht? Diese dunkelgrauen Klötzchen können mich mal. Wird Zeit, dass ich die Acrylfarbe aus dem Schrank hole und alle grauen Dinge mit dicken Pinselstrichen pink anmale. (Mit Öhrchen, versteht sich.)

Acryl für die Welt

Acryl für die Welt

Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist

Jess Jochimsen: Was sollen die Leute denken

Jess Jochimsen: Was sollen die Leute denken

Ich war gestern mal wieder – zusammen mit der fantastischen Suelo – Jess Jochimsen schauen. Er trat zusammen mit Sascha Bendiks im Kreuz in Jona auf. Wir fuhren also in die Provinz, um Gutes zu geniessen. Mal ganz abgesehen davon, dass Jess mich unverhofft ins Stück integrierte, war der Abend wie immer sehr angenehm und unterhaltsam.
Einer der Sätze, den ich sehr mag: „Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist.“ (Übrigens auch ein Buchtitel von Selim Özdogan.)

Zum Schluss bekam ich Jess neustes Buch geschenkt, welches ich sehr empfehlen kann: „Was sollen die Leute denken

Was die Leute denken, war mir dann auch ziemlich egal und nachdem wir einige Gläser getrunken hatten, machten wir uns auf in die Kälte. Suelo sagte, dass ihr das Programm von Jess & Sascha sehr gefallen hätte, weil die Texte, Bilder und Musik einerseits sehr melancholisch, trotzdem liebevoll und tiefgründig, aber auch bissig seien. Ich gebe ihr in allen Punkten Recht.

PS: Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross.

Traurig blau

Mit den Flügeln der Zeit fliegt die Traurigkeit davon. - Jean de La Fontaine

Mit den Flügeln der Zeit fliegt die Traurigkeit davon. - Jean de La Fontaine

„Wolken ohne Schatten,
auf der Südseite aber,
ist ein Stückchen Himmel
traurig blau.“
(Fernando Pessoa aus „As nuvens são sombrias…“)

Dieser, mein Januar fühlt sich für mich an, wie ein grosses Atemholen. Wie ein langer, andauernder Seufzer. Mein Silvester war schön und versöhnlich. Meine ersten Wochen im neuen Jahr gespickt mit warmen Erlebnissen. Als würden die Menschen mir mit mehr Aufmerksamkeit begegnen. Mit einem liebevollen Blick, mit einer Hand auf der Schulter, die „alles wird gut“ sagt. Traurigkeit fühlt sich wie ein sattes Dunkelgrau an. Anhaltende Traurigkeit wie sattes Dunkelgrau mit einem tiefen Ton unterlegt. Trotz aller Traurigkeit aber weiss ich, dass dieser Weg, den ich gehe, richtig ist. Dass es für mich diesmal nur diesen einen Weg gibt – leider. Ich drehe es und wende es und jedes Mal verstehe ich auf’s Neue, dass ich nicht anders kann.

„Stumm betrachte ich den See,
den eine Brise kräuselt.
Nichts weiss ich, wenn ich an das Ganze denke
oder es ist das Ganze, das mich vergisst.“
(Fernando Pessoa aus „Contemplo o lago mudo“)

So lasst uns also seufzen, über Brücken gehen, tief Atem holen, in die Weite sehen, den Wasserhahn tropfen hören, den Stimmen folgen, in uns hineinsehen und manchmal dabei lächeln. Zuversicht ist heute mein grösstes Gut.

Federding

Emily Dickinson:

Die Hoffnung ist das Federding

Die Hoffnung ist das Federding,
das in der Seel‘ sich birgt
und Weisen ohne Worte singt
und niemals müde wird.

Am süß’ten klingt es in den Bö’n –
und schlimm der Sturm der kränkt
und Schaden bringt dem Vögelchen,
das soviel Wärme schenkt.

Ich hab’s auf fremd’ster See gehört
und auf der kält’sten Flur;
doch nie hat’s in Gefahr begehrt
von mir ein Körnchen nur.

 

Emily Dickinson:

Hope is the thing with feathers

Hope is the thing with feathers
That perches in the soul,
And sings the tune without the words,
And never stops at all,

And sweetest in the gale is heard;
And sore must be the storm
That could abash the little bird
That kept so many warm.

I ’ve heard it in the chillest land,
And on the strangest sea;
Yet, never, in extremity,
It asked a crumb of me.