Herzflackern

Iridium-Flare

Iridium-Flare

Bei uns zu Hause findet gerade eine Party statt. Ich liege im Bett und lausche den Stimmen. Sie haben etwas beruhigendes. Sie bündeln das Chaos, geben ihm eine Form.

Ich liege also im Bett und denke über das Monatsgespräch mit Alain de Botton im Magazin nach. Alain de Botton sagt da: „Für mich bedeutet Liebe, dass man seine Freiheit, einen anderen Menschen zum Leiden zu bringen, möglichst einschränkt.“  Liebe, Freundschaft, Beziehungen jeglicher Art bedeuten wohl immer auch Verantwortung über die Schmerzen des anderen. Klingt komisch, ist aber so.
Und später im Gespräch sagt er auf die Frage, wie man weiss, wann eine Beziehung zu Ende ist: „Es ist eine klassische Illusion, dass eine Liebesbeziehung einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat. In Tat und Wahrheit geht es einem doch mit den Gefühlen, die man für einen anderen Menschen hegt so: Sie beginnen, enden, flackern wieder auf, erlöschen, fangen wieder Feuer, ersticken, motten weiter — und das Ganze hundert Mal täglich. Die Liebe ist nie voll da — und sie vergeht auch nie radikal. Proust wollte seine berühmte «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» eigentlich «Die Unterbrechungen des Herzens» nennen. Dieser Titel sagt doch alles. Unser Herz stellt in Liebesdingen ständig an und ab, auch wenn wir es lieber hätten, der Schalter stünde immer nur auf «Ein» oder «Aus».“

Die Zeit vertreiben

Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben!

Sie zu halten, wäre das Problem.

Denn, wen ängstigt nicht: wo ist ein Bleiben,

wo ein endlich Sein in alledem?

(…)

Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; –

aber auch in ihnen flimmert Zeit.

Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt

obdachlos die Unvergänglichkeit.

(Rainer Maria Rilke: Berg am Irchel, Ende November 1920)

Ist dieser Satz nicht einfach wunderschön? Dieser hier: „Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt obdachlos die Unvergänglichkeit.“

Ja, ich lese noch immer Rilke. Ist sozusagen meine Rilke-Phase. Warum auch nicht? Passt doch irgendwie…

In Prag hab ich folgendes aufgeschrieben:
Tyrannin Zeit, sei mir wohlgesinnt. Sei mir Königin und Gefährtin. Weis mich nicht fort, schliess mich ein. Ummantle mich, sei mir Freund und Liebhaberin. Tyrannin Zeit, ich biete mich dir an. Mein Wissen lege ich in deine erbarmungslosen Arme.

Gestern an unserer Familienweihnacht habe ich erfahren, dass ich ein ausgelaufenes Pillenrezept bin. Und meinem Cousin geht es nicht besser. Er ist ein geplatztes Kondom. Wir haben nun eine Selbsthilfegruppe gegründet und machen Gruppenreisen nach Amsterdam oder nach Las Vegas. Wer sich uns anschliessen will, ist herzlich willkommen!

Wo sich Mr. Fox und Häschen gute Nacht sagen

Wer mich einbisschen kennt, weiss, dass ich es liebe den Menschen, die ich mag seltsame Spitznamen zu geben. Lustigerweise heissen zwei meiner sehr guten Freunde „Häschen“ und „Mr. Fox“. Gestern Nacht bekam ich also ne SMS in der unter anderem stand: „Hase und Fox waren noch bei mir.“ Das fand ich sehr lustig. Die Reduktion der Spitznamen auf das Wesentliche. Leider, leider konnte ich gestern Abend nicht da sein. Da, wo Häschen und Mr. Fox waren. Weil ich nämlich 10 Tage lang jeden Morgen und jede Nacht in einer grossen Buchhandlung in Zürich die Regale einräume. Sowas nennt sich „Weihnachts-Einräumhilfe“. Wir sind also dann im Laden, wenn es keine Kunden hat. Diese Schichtarbeit reduziert meine Nacht auf ca. 4 Stunden, was meinem Teint nicht gerade gut tut. Und leider gehöre ich zu den aufgeweckten Menschen, die sich die Tage – sozusagen die überlange Zimmerstunde – total zuverplanen, sodass schlafen während des Tages auch nicht in Frage kommt. Ihr seht. Aufgrund des Schlafmankos bleiben mir noch geschätzte vier Hirnzellen zum Denken. Der Rest hat das Zeitliche gesegnet…
Ich wäre also gerne da gewesen, wo Häschen und Mr. Fox waren. Unglaublich gerne. Und zwar nicht nur wegen dem Ort, wo sie waren. Es ist nämlich so, dass ich die Gesellschaft von Häschen und Mr. Fox wahnsinnig mag. Ich freue mich jedesmal wie ein kleines Kind auf ein Treffen. Diese verlaufen dann auch dementsprechend lustig und heiter und schön. Ich freue mich auf nächste Woche. Da werden mich Häschen, Mr. Fox und Eddie mitten in der Nacht von der Schichtarbeit abholen. Und dann gibts Freinacht! Haha!

PS: Ich räume seit 4 Tagen Klassiker ein. Und wundere mich sehr darüber, wie gut „Ein grüner Junge“ von Dostojewskij läuft. Jeden Tag räume ich dieses Buch stapelweise ein. Und dabei ist „Ein grüner Junge“ nicht gerade das einfachste Werk von Dostojewskij. Im Gegenteil.

Kurzgeschichte – Erster Teil

Sie hatte sich auf die nasse Bank an der Bushaltestelle gesetzt. Die Nässe würde hässliche Flecken auf ihren hellen Jeans hinterlassen – aber das war ihr egal. Sie musste nachdenken. Und das gelang ihr schon immer besser im Sitzen. Sie kramte eine Zigarette aus ihrer Handtasche und suchte Feuer. Kein Feuer. Gut. Also nicht rauchen. Schade. Aber vielleicht gar nicht schlecht. Rauchen sei ja schlecht für die Gesundheit und für die Mitmenschen. Obwohl diese diesmal nicht geschädigt würden, die Bushaltestelle war nämlich leer. Es war kurz vor Mitternacht und die Gegend nicht gerade das Vergnügungsviertel der Stadt.

Sie sah ihn nicht kommen, zu sehr war sie mit ihren Gedanken beschäftigt. Er setzte sich neben sie auf die nasse Bank und grinste sie so umwerfend an, dass sie ganz vergass, unfreundlich zu sein. Dieser Abend sollte eigentlich nur ihr gehören, ihr und ihrer Weggabelung im Kopf. Sie konnte ja nicht länger an ihrer Kopfkreuzung rumstehen, das war langsam peinlich, sie stand da schon seit Wochen und hatte das „Darübernachdenken“ bis jetzt erfolgreich vermeiden können. Er bot ihr eine Zigarette an und auch Feuer und sie konnte nicht widerstehen. Natürlich nicht. Sie hätte auch nicht ernsthaft widerstehen wollen, vielleicht geziert hätte sie sich gern. Sie schaute ihn von der Seite an und nickte höflich, blies den Rauch hinaus in die Kälte. Sie blickte auf ihre Hände und stellte fest, dass man an ihren Händen das Alter sah. Es schlich sich langsam an und manifestierte sich auf ihren Handrücken.  Sie benutze ungern Handcreme. Der Bus kam und weder sie noch er machten Anstalten einzusteigen. Sie blieben auf der nassen Bank sitzen. Leise und ganz für sich lachte sie sehr und dachte darüber nach, dass Entscheidungen manchmal ganz simpel sind. Einfach sitzen bleiben. Einfach nicht aufstehen. Einfach da sein und eben nicht dort.

(Fortsetzung folgt…)

Später. Vielleicht.

Als wärs Wasser, das mich umgibt.

Als wärs Wasser, das mich umgibt.

Müde. Ausgelaugt. Verwirrt. Unsicher. Zerschlagen. Zusammengesetzt. Geleimt. Voller Hoffnung. Todtraurig. Enttäuscht. Überfahren. Heimgesucht. Und. Überrascht.

Über das, was zu Ende geht. Über das, was aufgetaucht aus der Flut und wieder unterging. Das, was süss und im Abgang bitter.
Ende.
Und dann.
Später. Vielleicht.
Anfang.

Ich möchte sagen: Rede mit mir! Ich möchte den alten Mann der mir im Zug gegenübersitzt schütteln und fragen. Ich möchte mich der Frau, mit dem blonden Mädchen an der Hand, in den Weg stellen und fragen. Ich möchte an der Haustür meiner Nachbarin klingeln, ihr in die Augen sehen und fragen. Ich möchte vor den jungen Mann mit den schwarzen Haaren, der mit der Gitarre auf dem Rücken, hintreten und fragen. Ich möchte sagen: Rede mit mir. Oder schweig für immer.

„Du hast die Wahl. Du kannst dir Sorgen machen, bis du davon tot umfällst. Oder du kannst es vorziehen, das bisschen Ungewissheit zu geniessen.“ (Norman Mailer)

Ich lache gerade sehr über die Absurdität. Ich lache gerade sehr. Und dann weine ich. Süsse, weiche Tränen. Tränen wie aus einem Bilderbuch.

Das ewige Schweigen macht mich schaudern

„Das ewige Schweigen dieser unendlichen Räume macht mich schaudern.“ (Blaise Pascal)

Gestern Abend habe ich mich zurückversetzt gefühlt in meine Teenager-Zeit. Wir suchten stundenlang eine Party (haben das Langstrassentunnel bestimmt etwa 10 mal durchquert), dabei billigen Wein aus Flaschen getrunken, setzten uns dann irgendwann auf einen Treppenabsatz und haben geraucht und gelacht und geschwatzt, bis die Kälte unangenehm vom Betonboden aufstieg. Es haben nur noch die feuchten Erdbeerlabello-Küsse gefehlt.

Sobald wie aufgegeben hatten die Party zu suchen, wurde der Abend richtig lustig. So, wie Balzac sagt: “ Vergnügen suchen, heisst das nicht, Langeweile zu finden?“
Gestern war sowieso ein sehr ereignisreicher Tag. Wirklich. Es war so ein Lichtwechseltag. Ein Tag, der wie Wasser wirkte, das im Boden versickert.
Hach, was solls. So schlittere ich halt. Schlittern kann Spass machen. „Ein Narr ist ein Mensch, der nie im Leben ein Experiment gewagt hat.“ (Erasmus Darwin)

Bettparty!

Nachdem ich „Federhure ff“ von Thomas Meyer zu Ende gelesen und mich dabei fast totgelacht habe, lese ich nun „Rositas Haut„. In „Rositas Haut“ verliebt sich ein Moskito in Rosita. Jaja. Ganz schön frivol.

Heute kommt die coole Clique zu mir nach Hause und wir halten eine Plattentaufe ab. Wir haben eine Sommersonnen- und Bettparty CD gebastelt und taufen die nun. Wenn wir ehrlich sind, haben wir natürlich nur einen Grund gesucht ein Fest zu veranstalten. Nun. Wir werden bei strömendem Regen auf meiner baufälligen Dachterrasse sitzen, einen Schirm über den knallgrünen Kugelgrill von FischliFox spannen und die Streetparade-Menschen, die in Scharen an meinem Haus vorbeiwandern mit bunten Wasserballonen bewerfen (was, wenn es regnet noch tausendmal mehr Spass macht).

Ansonsten ist heute ein blöder Tag. Aber was soll’s. Mir werden mal wieder meine Freundinnen das Leben retten müssen. Und wisst ihr was? Es ist unheimlich schön, dass meine Freundinnen kommen und mir anstandslos das Leben retten. Einfach so. Als wäre nix gewesen. Bin ich nicht ein Glückspilz?

Wechselbalg in meiner Brust

Schon lustig, wie wandelbar alles ist. Manchmal komme ich mir vor wie ein Wechselbalg. Ein Wesen, das heute hier und morgen dies sein kann. Heute Büro gezügelt, und Einweihungsparty im engsten Kreise veranstaltet. Picknick draussen auf unserer Terrasse mit Blick auf die Hardbrücke.

Der Abend gestern mit Peer hat mich sowas von in eine andere Welt katapultiert. Es ist, als hätte ich nicht nur zwei, sondern ein ganzes Duzend Seelen in meiner Brust.

Was der morgige Tag wohl bringt? Lassen wir uns überraschen, nicht wahr? Lassen wir uns überraschen.

Umarmung, Hasenherz

Ein fröhliches Gedicht für Mauz!

Das ist ein kurzer, kleiner, feiner Beitrag für Mauz. Mauz ist eine unglaubliche Frau. So wunderschön und so expressiv und mit viel Tiefe. Und Mauz ist eine unglaublich gute Geschichtenerzählerin.

Nun also extra für Mauz dichte ich ein fröhliches Gedicht:

Mein Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen.
So unhaltbar nun also frei und sehr berührt.
Zwischen Grashalmen gelegen,
vom Berg aufs Meer gesehen,
gar nicht mehr verlegen – das Leben ist schön.

Mein Spiel zu Ende, die Halbzeit längst vorbei.
So ausser Atem bedingungslos befreit.
Durch die Welten und über die Spitze hinaus,
über Feld und Stock und Stein,
ziehe ich so viel daraus – das Leben ist schön.

Pferdedecke Traurigkeit (und drunter bunte Smarties)

Viele, viele bunte Smarties!

Viele, viele bunte Smarties!

Ich lese „Mängelexemplar“ von Sarah Kuttner. Eine sehr präzise und doch irgendwie „leichte“ Beschreibung dieser schweren, lähmenden Krankheit Depression. Mir gefallen die Bilder, die Sarah Kuttner schafft. Sie redet zum Beispiel von der „Pferdedecke Traurigkeit“. Das gefällt mir. Zumal ich die Gefühle, die sie beschreibt (die angeworfene Lähmung, das Herzrasen, die Ausweglosigkeit im Kopf) in den letzten Monaten doch besser kennengelernt habe, als mir lieb ist.

Gestern Abend war irgendwie crazy. In unserer zweiten Heimat war der Bär los und ich seeeeeeehr seltsam drauf. War aber schön und ich muss sagen, dass ElfElf ein paar Seiten hat, die ich noch nicht kannte, jetzt aber sehr mag und ich bin froh, diese Seiten kennengelernt zu haben. Irgendwann morgens haben wir uns bei einem Selecta-Automaten wiedergefunden und dort wurden wir von Mercedes (keine Ahnung, wie er wirklich hiess, aber Mercedes passt irgendwie zu ihm) angequatscht. Mercedes wollte mir seinen Zweifränkler zeigen. Ja, ja, ICH habe mich auch gewundert.

Nach vier Stündchen Schlaf – die man nicht als erholsam bezeichnen konnte – heute morgen ins Entlebuch. Im Entlebuch sass ich mit den 3 Maries um einen runden Tisch und wir sangen uns die Seele aus dem Leib. Genau solche verrückten und unerwarteten Situationen sind es, die die Pferdedecke Traurigkeit verschwinden lassen.

Heute Abend nun also im Arsch.

Ach ja, Wurmbrand sagte eben, dass man sähe, dass ich heute mit einem Drucker zu tun hatte. Ob ich die Farbpatronen über mir ausgegossen hätte? Ihr solltet mich sehen. Echter Hippie-Scheiss.